sich mit Arnijot Gelline befaßte, um das Epos zu seinem nie ausgeführten „Räuber- und Seefahrer“-roman „Die Likedeeler“ zu benutzen/' 2 Am 24. Juli 1883 unterhält sich Fontane mit Spielhagen in Norderney u. a. über „Daudet, Zola, Heyse, Björnson, Ibsen“, 43 und am 16. Dezember 1889 bespricht er in der Abendausgabe der Vossischen Zeitung Nr. 588 eingehend die Aufführung in der Freien Bühne am vorigen Abend von Björnsons Drama Ein Handschuh, dem ein frauenemanzipatorisches Thema zugrundeliegt. Er kritisiert darin eine vorübergehend gespielte Fassung des Stückes mit unüberzeugend versöhnlichem Ausgang, zollt aber dem großen dramatischen Talent Björnsons seinen Tribut. 44 Björnsons Übergang von Nationalromantik zu realistisch-modernen Prosathemen, von Vergangenheit zu Gegenwart entspricht der besonderen Mischung Bret Hartes, Fontanes eigener Entwicklung in den 1870er Jahren, und paßt vorzüglich in unser Schema der „Kritischen Wanderungen“. Auf Andersen läßt sich dieser Generalnenner nicht so leicht anwenden: hier wollte Fontane wohl hauptsächlich einen hervorragenden Vertreter nordischer Literatur anerkennen, dessen Humor, Ironie, auserlesene- Stilistik und autobiographischer Einschlag ihm nahestanden.
Wir kommen nun zu den Vertretern des Westens in diesem Schema: Thomas Moore, Thomas Hood and Bret Harte. Thomas Moore (1779—1852), Freund Byrons, Verfasser sentimentaler, populärer Texte zu irischen Volksmelodien und der äußerst beliebten orientalisierenden Verse Lalla Rookh ist Romantiker, Thomas Hood (1799—1845) sentimentaler Humorist. Beide gehören eindeutig der englisch-romantischen Vergangenheit Fontanes an. Schon im Sommer 1841 — im Alter von 21 Jahren — hatte er in der Neubertschen Apotheke in Leipzig Dr. Adler, „ein Prachtstück“ kennen- gelemt, der Thomas Moores „The Paradise and the Peri“ aus Lalla Rookh übersetzt hatte und Fontane, „seine von Trunk und Begeisterung seltsam verglasten Augen nach oben gerichtet... hingerissen vom Wohlklang der Strophen“, seine Übersetzung vortrug, „und nur ich war womöglich noch hingerissener als er selbst“. 45 1844 leisteten ihm Thomas Moores Gedichte auf der Wachstube in Berlin Gesellschaft. 46 Am 27. Juli 1851 hatte er die Absicht, im kommenden Winter in Berln sechs Vorlesungen über englische Lyriker und Epiker zu halten, die fünfte über „Thomas Moore und die Lake-School(Wordsworth, Southey, Coleridge)“. 47 Bald danach zählte er Thomas Moore in einer frühen Rezension von Tennysons Gedichten (1853) im Literaturblatt des von seinem Freunde Friedrich Eggers herausgegebenen Deutschen Kunstblattes 48 als einen der traditionellen Volkslieddichter (mit Pope, Byron und Burns) lobend auf. 49 1 860, in Jenseit des Tweed, berichtet Fontane von einer schottischen Begegnung mit einer interessanten Irin, Arabella Fitzpatrick, die ihm die Gelegenheit gibt, ganze Verse Thomas Moores aus dem Gedächtnis zu rezitieren.™ Noch 1871, in seinem Essay über Walter Scott, rechnet er ihn zu den hervorragenden Vertretern seiner (romantischen) Epoche. 51 1881 stellt Fontane in seinem Lebensabriß des Malers Wilhelm Hensel fest, daß Lalla Rookh „bereits wieder vom Schauplatz abgetreten ist, (jede Zeit hat ihre Lieblinge)“. 52 1874 ist hier also wieder eine Art Scheideweg: Moore ist ein Rückblick, kein Vorblick. 53
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