„Die Verbannten von Poker’s (sic) Flat" kannte. 55 Ich finde sie alle ersten Ranges und doch -.krank, schwindsüchtig, den Todeskeim in Brust und Herzen. Wüßte ich nicht, daß Sie, glaube ich, zu den unbedingten Verehrern des Californiers gehören, so würde ich mich Ihnen zu einer kritischen Beleuchtung dieser in Vers 56 wie Prosa gleich interessanten Erscheinung anbieten. 57
Rodenbergs Gegenbrief ist leider nicht erhalten. Er muß aber schnell und positiv auf Fontanes Anerbieten reagiert haben, denn schon am 10. Februar schreibt Fontane wieder an ihn:
. . . Für die Winke in betreff Bret Hartes, auch für die biographische Skizze meinen besten Dank. Vielleicht mache ich mich auch gleich über Joaquin 58 Miller her, von dem ich bis diesen Tag kein Sterbenswort wüßte, den kennzulernen mich Karl Knortz (furchtbarer Name) aber begierig gemacht hat. Ich nehme Ihre Erlaubnis zu eventueller Erweitrung meiner Arbeit ohne weiteres an ... 59
Welcher Art die Winke Rodenbergs „in betreff Bret Hartes“ waren, wissen wir nicht. Jedenfalls ging seine Bewunderung für den Amerikaner nicht so weit, Fontanes kritische Beleuchtung Hartes zu mißbilligen. Die biographische Skizze über Bret Harte von Karl Knortz, die Rodenberg Fontane übersandte, ist erhalten und wird hier zum ersten Mal als Teil des Manuskriptes abgedruckt. Ort und Datum ihrer Veröffentlichung, welche die Forschung bisher nicht ermitteln konnte, werden hier ebenfalls zum erstenmal mitgeteilt (siehe unten). Die Skizze von Knortz bespricht in ihrem ersten und zweiten Absatz Joaquin Miller eingehender als Harte. Das gab Fontane die Idee, seinen Essay über Harte zu erweitern und Miller darin einzubeziehen. Er setzt voraus, daß Rodenberg damit einverstanden sein wird (so und nicht als eine von Rodenberg bereits gegebene Erlaubnis, seine Arbeit eventuell zu erweitern, muß man das Wort „annehmen“ in Fontanes Brief verstehen) und fügt hinzu, daß es mit Rodenbergs ausdrücklicher Zustimmung für die von Fontane vorgeschlagene Erweiterung keine Eile hat. 60 Von Mark Twain ist allerdings weder in Fontanes Brief noch in dem Aufsatz von Knortz die Rede: wann und wie diese nochmalige Erweiterungsidee ihm in den Sinn kam, wissen wir noch nicht, aber wahrscheinlich sehr bald.
Wir dürfen annehmen, daß Fontane sich sofort (sagen wir: Februar/März/ April 1874) daran setzte, ein umfassendes Schema des Bret-Harte-Aufsatzes für den Salon anzufertigen, vielleicht mit der Absicht, Artikel über Miller und Twain in darauf folgenden Nummern des Salons unterzubringen. Zu irgendwelchen Niederschriften über Miller und Twain ist es scheinbar nie gekommen. Die bereits zu erheblichem Umfang gediehene aber nie fertiggestellte Würdigung Hartes ist zu Fontanes Lebzeiten auch nicht veröffentlicht worden. Reuter mutmaßt, wahrscheinlich zu Recht, daß Rodenberg, der schon seit November 1873 die Gründung einer neuen Zeitschrift, erst „Deutsche Revue“, dann „Deutsche Rundschau“ genannt, ins Auge gefaßt und sich im Februar 1874 innerlich bereits halb vom Salon losgesagt hatte, kein großes Interesse mehr für Salonpläne hegte. 61
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