hält die Hand an den Revolver und sein erstes Wort ist ein nervenerschütternder Fluch. Jedes Gesicht hat seine traurige Geschichte; der stärkste Mann hat nur drei Finger an der rechten Hand und der beste Schütze hat nur ein Auge. Das „Glück“ in diesem Lager ist ein Kind, das ein verlassenes, von der anständigen Menschheit vertriebenes Weib unter dem Herzen getragen und hier geboren hatte. Nach der Geburt war sie gestorben und ein in Familienangelegenheiten erfahrener Goldgräber mußte im Aufträge der ganzen Gesellschaft nun die Dienste einer Kinderwärterin übernehmen, wobei er von einer Eselin, dem einzigen weiblichen Wesen im Lager, unterstützt wurde.
Das Kind wuchs heran und ward von veredelndem Einflüsse auf die rauhen Gesellen; man hörte jetzt doch auch zuweilen zärtliche Worte und statt der abendlichen rohen Gassenhauer erklang mitunter ein unschuldiges Kindeslied. Viele dachten an ihre eigene Kindheit zurück und damit kam auch die Erinnerung an glücklichere Momente, mit denen die jetzige Existenz einen traurigen Kontrast bildete. Leider aber ertrank das Kind mit seinem Vater. Die einfache, ungekünstelte, mit wenigen markigen Strichen gezeichnete Darstellung der Karaktere, — Eigenschaften,, wie man sie an den Erstlingswerken seines großen englischen Vorbildes, Charles Dickens, bewundert — hat dieser Erzählung in Verbindung mit dem aphoristisch mitgetheilten tragischen Schlüsse in kurzer Zeit eine Popularität verschafft, wie sie wol bis jetzt einem prosaischen Werke dahier noch nicht gefolgt ist, wozu natürlich auch die Neuheit des Stoffes sein Antheil beigetragen hat.
Bret Harte’s californische Erzählungen, von denen bis jetzt zwei Bände erschienen sind, (1) sind wegen ihrer strengen Objectivität und zum Erschrecken naturgetreuen Schilderungen von culturhistorischem Werthe. Die Geschichte der modernen Argonauten, die den Fortschritt der Civili- sation nach Westen beschleunigten, die die indianische und romanische Rasse verdrängten, wo immer sie sich nur blicken ließen, hat wie so viele andere historische Episoden die amerikanische Idee bekräftigt, daß auf diesem ganzen Continente nur die angelsächsische Rasse dazu bestimmt ist, die Geschicke des Landes zu leiten. Sentimentale Gemüter können sich schwerlich mit dieser Mission befreunden oder für sie wirken, und so kommt es denn, daß wir hier mit Männern zu thun haben, die allen hergebrachten Gebräuchen der Civilisation keck Hohn sprechen und die im beständigem Kampfe mit Natur und Menschen für Alles, außer für sich selber, eine solche Geringschätzung, oder vielmehr Verachtung an den Tag legen, von denen sich unsere Schulweisheit bisher nichts träumen ließ. Bret Harte’s Erzählungen sind bis jetzt in zwei deutschen Uebersetzungen erschienen; die eine, der eine sehr eingehende und mit liebevollem
(1) Mrs. Knaggs Husbands and Other Sketches. 1873.
The Luck of Roaring Camp and other Scetdies. Boston, 1873.
Außerdem erschien von ihm ein Band „Condensed Novels“, Parodien auf populäre Novellen.
hr: Alle diese Anmerkungen stammen von Knortz.