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Sonderheft 6, Henry H. H. Remak: Der Weg zur Weltliteratur: Fontanes Bret-Harte-Entwurf
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Enthusiasmus geschriebene Einleitung beigegeben ist, ist von einem ungenannten Verfasser (2) und enthält sämmtliche Nummern; die zweite ist von W. Hertzberg, dem bekannten Uebersetzer Chaucers, und enthält nur vier Geschichten. (3) Von Bret Hartes Gedichten hat Freiligrath einige übersetzt; überhaupt scheint der ehemalige Goldgräber der auserkorne Liebling des deutschen Publikums zu sein; aber wenn man drüben sich auch etwas eingehend mit seiner Biographie beschäftigen will, so möge man damit vorsichtiger sein, als Westermanns (sic) Monatshefte, die ihn kürzlich zu einer Frau machten. In Frankreich ward Bret Harte zuerst durch Denzon bekannt, der in der Revue des deux mondes die Ueberset- zung mehrerer Erzählungen veröffentlichte.

Bret Hartes Gedichte erschienen im Jahre 1873 in einer Gesammtausgabe zu Boston. Der 333 Seiten starke Band wird mit einemSan Francisco übersdiriebenen Gedicht eröffnet und somit wird der Leser gleich in die liebe Heimat des Poeten geführt und merkt gleich, was er in den folgenden Blättern zu erwarten hat; nämlich Beschreibungen des westlichen Lebens und Landes. Seine Gedichte sind daher Gelegenheitsgedichte im besseren Sinne; sie sind heiter, frisch, munter und kerngesund; kein verzweifelnder Weltschmerz hat sie angekränkelt; ihre Sprache ist ungekünstelt und knapp; ja, er scheint mit großer Consequenz darauf geeachtet zu haben, ja kein Wort zu viel, sondern lieber eins zu wenig zu sagen, weshalb man auch stets so viel zwischen den Zeilen zu lesen hat. Wer ihn recht ver­stehen will, muß in des Dichters Heimat gehen: er muß seine Geographie genau studiren und den Slang wie ein Goldgräber sprechen können. Letz­terer Umstand mag für europäische Leser sehr störend sein, denn es ist dem Buche kein Vocabularium beigegeben und in Bartletts und Scheie de Veres Werken über Amerikanismen wird man sich größtentheils vergeb­lich nach Rath umsehen.

Als Dichter wurde Bret Harte zuerst durch seinenHeathen Chinee be­kannt, in dem er die brennende Frage, welche das billige Arbeiten der Chinesen heraufbeschwor, inplain language behandelte. Der Inhalt dieses Gedichtes ist: ein schlauer Chinese betrügt seinen kaukasischen Gegner im Kartenspiel gründlich und empfängt dafür seine gehörige Tracht Prügel. Die Pointe dieses Gedichtes liegt in den WortenWe are ruined by Chinese eheap labor; wir müssen gestehen, daß es uns unbegreiflich ist, wie diese fast gänzlich wertlosen Verse solche erstaunliche Verbreitung finden konnten. Fragen der Zeit scheint Bret Harte überhaupt gerne in seiner ihm eigenen originellen Weise zu behandeln; auch schreibt er gern Parodien auf bekannte Lieblingsgedichte. Von seinen Gedichten roman­tischen Inhaltes sindThe Miraclc of Padre Junipero,A Greyport Ro- mance, undIn the Missoin Garden wol die gelungensten.

Im Jahre 1871 legte er die Redaction desOverland Monthly und die Professur für neuere Literatur an der California Universität nieder und

<2) Erschienen bei Grunow in Leipzig.

(3) Erschienen bei Quandt und Händel in Leipzig, hr: Siehe Rezension dieser Übersetzung durch Ludwig Pietsch auf S. 13 (oben).

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