Mit dem biographischen 2. Teil ist Fontane nicht weit gekommen: er besteht lediglich aus der Überschrift und dem angeklebten Aufsatz von Karl Knortz (Blatt 9). Die allgemeine kritische Charakterisierung Bret Hartes (der geplante 3. Teil) ist dagegen in allen Grundzügen ausgeführt (Blätter 12 und 13). Fontane legt seinen Finger sofort auf den springenden Punkt bei Harte: die Harmonie oder den Konflikt zwischen seinem realistisch-beschreibenden Talent und seiner sentimental-idealisierenden Neigung. Wo Harte deskriptiv ist, d. h. wo er beschreibt, was er aus dem kalifornischen Goldgräberleben selbst kennt, ist er ersten Ranges; wo er einen Stoff antrifft, der zum gefühlvoll-optimistischen paßt, ist er vortrefflich; aber wo sich in derselben Geschichte die beiden Tendenzen (objektiv-deskriptiv — subjektiv-gefühlvoll) ins Gehege kommen, da gibt es „die verschiedensten Abstufungen vom leis verfehlten zum stark verwerflichen“ .
Fontane spricht auch hier wieder teilweise pro domo: denn obwohl man seine Werke kaum des Optimismus verdächtigen kann, so schreckt er andrerseits konsequent vom letzten Realismus zurück: er dämpft, er stilisiert, er veredelt. Und er hält vor allem — das ist ein stetiges Leitmotiv seiner Literaturkritik im ganzen — den konsequenten Realismus, der in durchdringenden Pessimismus ausartet, für nicht-realistisch. Er hält die Anwesenheit von „Noblesse“ im Leben für keine Illusion. (Man denke an die heutige Realismusdebatte!) So kräftig und kritisch er auch die Moral seiner Zeit beleuchtet, so hält er doch eine gesellschaftliche Moral an sich für eine Notwendigkeit. Das Wort „verwerflich“ hat bei ihm nicht nur eine ästhetische, sondern auch eine moralische Bedeutung. Aber (oder: Er hält aber nicht viel) er hält nicht viel von den meisten literarischen Vertretern dieser gesellschaftlichen Moral.
Was gerade von Fontane gesagt worden ist, trifft buchstäblich auf Harte zu. Das Dilemma Bret Hartes ist, cum grano salis, auch das Dilemma Fontanes.
Der vierte Teil, die deskriptive Gruppe, ist ebenfalls in den Hauptlinien ausgeführt (Blätter 4, 11, Nr. 1, 14-17). Hier gilt Fontanes Hauptaugenmerk der Erzählung „Highwater-Mark“ („Hochwasserzeichen“). Er hält sie, mit zwei Einschränkungen, für meisterhaft, weil sie entschieden deskriptiv ist, „das Ganze ist ein Bild“, das Menschliche spielt eine relativ kleine Rolle, „der sentimentale Zug kann sich nicht recht zeigen, weil alles deskriptiv ist“. Die beiden gerügten Schwächen, die Arche-Noah- Stelle und der Mangel an Nervenfestigkeit des Holzfällers, gehören in die hier sekundäre menschlich-sentimentale Rubrik: die Naturschilderung sei meisterhaft.
Die beiden anderen Erzählungen, die er unter der Rubrik „Deskriptives“ näher bespricht, sind „A Lonely Ride“ und „From a Back Window“ 3 (Blatt 4), die er wahrscheinlich auf englisch gelesen hat. Dadurch kommt] die Qualität der Schilderung auch mehr zur Geltung als in den stilisierten deutschen Übersetzungen, in denen Fontane andere Geschichten Bret| Hartes, darunter „Highwater-Mark“ las. Mit Recht nennt er die unsentimentale Erzählung „A Lonely Ride“, heute noch ein Stimmungsmeister-
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