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Sonderheft 6, Henry H. H. Remak: Der Weg zur Weltliteratur: Fontanes Bret-Harte-Entwurf
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Analyse von Howells erinnern an seine Bewertung Hartes: (Howells wolle zeigen),nicht dem liebenswürdigen Träumer, sondern dem herben, schlagfertigen Manne gehört die Welt, aber Fontane seidamit nicht recht einverstanden, denn selbst impraktischen Leben erringedas Träume­rische ... um des Zaubers willen, der dem allen anhaftet, häufig den Sieg, und ganz abgesehen davon, bestünde ein Unterschiedzwischen Realwelt und Buchwelt, zwischen Wirklichkeit und Dichtung:In der Dichtung ist es nun mal so, daß wir den Liebenswürdigeren über den Unliebens­würdigeren siegen sehn wollen; soll aber umgekehrt die Männlichkeit, die Herbigkeit siegen, was ich auch passieren lassen will, so muß sie so auftreten, daß wir ihren Sieg in der Ordnung finden: so liegen aber die

Sachen hier kaum. Derliebenswürdigere, aber unglückliche ... Neben­buhler werdeals eine Art lächerliche Figur behandelt. Der letzte Ab­satz könnte einfach auf Harte übertragen werden:

Sieht man von diesen Schwächen ab, die, weil se das Ganze durch­dringen, sich auf jeder Seite fühlbar machen und unsrem Interesse bzw. unsrer Bewunderung einen beständigen Dämpfer aufdrücken, ja uns fast wie mit Absicht in einem Zustande der Nüchternheit erhalten, so ist die Novelle ein Meisterstück. Tadellos komponiert, die Charaktere scharf und konsequent gezeichnet, in Schilderung von Lokal und Stimmung ersten Ranges, in Beobachtungen und Bemer­kungen glänzend, ein Triumph der Wahrheit und Phrasenlosigkeit. Dennoch fehlt etwas; ich glaube, wie ich nur wiederholen kann, weil das Ganze etwas will, was in der Art nicht gewollt werden soll. 7 In seiner Randbemerkung (Blatt 6) zu dem AusschnittHauptmann und Feldwebel schreibt Fontane:Benutzen bei dem Aufsatz über Bret Hart (sic), um zu zeigen was acht und unächt, was herzbewegend und blos sensationell ist. Der Gebrauch von Worten wie dasSensationsvolle oder sensational (Blatt 2) im Bret-Harte-Manuskript läßt darauf schließen, daß Fontane den Bericht überHauptmann und Feldwebel als Muster des Echten und Herzbewegenden, gegenüber dem unechten und bloß sensationellen bei Bret Harte heraussteilen wollte. Auf welch unfestem Boden sich Fontane dabei bewegt, ergibt die Lektüre dieser angeblich wahren Begebenheit, die sich vielleicht in ihren Grundzügen wirklich begeben hat, deren Darstellung in der Kreuzzeitung, aus der dieser Ausschnitt stammt, aber so stilisiert, so rührselig, so klischeehaft ist, daß sie für das heutige Empfinden ähnliche Fehler bei Harte weit in den Schatten stellt. Trotz allem Feingefühl für das falsche Gefühlvolle war Fontane eben doch noch ein Kind seiner sehr sentimentalen Zeit und hat den heute klar zu Tage tretenden sentimentalen Überschuß in den von ihm als Meisterstücke gepriesenen Kurzgeschichten Hartes wieThe Luck of Roaring Camp,The Outcasts of Poker Flat undThe Idyll of Red Gulch, oder das Sensationelle inHighwater Mark nicht gesehen, während er davon freie Stimmungsbilder wieA Lonely Ride undFrom a Back Window wiederum unterschätzt hat. Nicht wahrgenommen hat er auch das Kennzeichen vieler Harteschen Erzählungen, die erst gegen Ende durch konventionell-sentimentale Schlüsse entstellt werden, während sie vorher literarisch erstrangig sind : 8 ein Symptom, das übrigens zum Teil

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