in einem feinfühligen Nachruf heißt, daß er in seinen „Western“ den Grundsatz vertreten habe: „Ein Mann muß tun was recht ist, und um das zu erkennen liest er nicht die Lokalstatuten sondern befragt sein Herz.“ 15 (Wir werden auf dieses Motiv bei der Gelegenheit des Bret-Harte- Motivs in Quitt zurückkommen.) Und zweitens war vielleicht ein Teil des Mythus doch Realität. 16 Auf jeden Fall ist, nach dem Verfall des großen Rufes Bret Hartes seit den 1880er Jahren, durch George R. Stewarts hervorragende Biographie (1931) eine vorsichtige aber solide Rehabilitierung Hartes auf Seiten der amerikanischen Literaturwissenschaft eingetreten, 17 auch seines Spätwerkes. 18 Die amerikanische Kritik hat sich mit mehreren Zügen Hartes beschäftigt, die an Fontane erinnern und vielleicht psychologisch erklären, was Fontane sofort an Harte fesselte: seine vorurteilslose, menschliche Sympathie für das Unorthodoxe, Unterdrückte, 19 sein außergewöhnliches Talent für „komische Namensgebung“, 20 seine journalistisch geschulte, für Veröffentlichung seiner Arbeiten in Zeitungen und Zeitschriften geschaffene Prosa (eine Tatsache, die von der Fontaneforschung bisher viel zu wenig beachtet worden ist), und das erst spät gewürdigte Briefverfassertalent. 21
Hartes Rezeption in Deutschland wurde durch eine Brücke nach und von Amerika begünstigt: die Vermittlerrolle deutsch-amerikanischer Schriftsteller wie Udo Brachvogel, der Bret Harte ins deutsche übersetzte, und Karl Knortz, dessen in Amerika erschienenen Aufsatz Fontane für seinen biographischen Teil zu gebrauchen gedachte. Im Grunde waren sowohl amerikanische wie deutsche Leser, bei allen kulturellen Unterschieden, auf Lektüre eingestellt, die „das Gute, Wahre und Schöne“ vertrat, den endlichen Sieg der Tugend und des Guten über die Macht des Bösen und des Verbrechens“. 22 Der „Erwartungshorizont“ des deutschen Lesepublikums umfaßte eine Portion Sentiment und Moral, die zwar nicht unangefochten aber doch unbesiegbar bleiben mußten, um einem Werk zum Erfolg zu verhelfen. 23 Selbst Fontane hat sich nie ganz von dieser Anschauung freigemacht, die heute noch in der öffentlichen Literaturkunst (Theater, Film, Rundfunk, Fernsehen) überwiegt. Damit ist der schlagende Erfolg Hartes in Deutschland verständlich: ein abenteuerliches Neuland (Kalifornien), bestehend aus materieller und sentimentaler Romantik, beide dem Lesepublikum wohlvertraut, von einem erstklassigen Schriftstellertalent prägnant, interessant und in für Deutsche unerhörter Kürze zusammengefügt, und von einem überaus beliebten alten deutschen Freiheitskämpfer, Ferdinand Freiligrath, glühend empfohlen, und zwar in Ausdrücken, die so recht dem sentimentalisierenden Geschmack des besseren Lesepublikums entgegenkommen mußten. Denn wiewohl den Leser das materielle Gold in Bret Hartes Geschichten sicherlich mächtig faszinierte, wahrscheinlich sogar an erster Stelle, durfte das Publikum sich das nicht eingestehen, und der alte Kämpe kam ihm zu Hilfe. Harte war für ihn:
„... der ,Califomier ä und der .Goldgräber“. Das Gold aber, nach dem er gegraben und das er gefunden hat, ist nicht das Gold in den Rinnsalen der Flüsse, nicht das Gold in den Schachten der Berge: es ist das Gold der Liebe, der Güte, der Treue, der Menschlichkeit, das
48
/