selbst in harten und wilden Herzen, das selbst unter dem Schutt von Laster und Sünde ewig unvertilgbar in der Menschenbrust ruht. Daß er dort nach ihm geforscht, daß er es dort gefunden und der Welt triumphierend gezeigt hat, das ist seine Größe und sein Verdienst. Das ist’s, was ihm die Herzen zugeführt hat, soweit die Sprache Shakespeares, Miltons und Byrons gesprochen wird. Und das ist’s auch, was mich, den alten deutschen Poeten, noch zum Übersetzer des jungen amerikanischen Collegen gemacht hat, und mich ihm heute, warm und herzlich, die Hand über’s Meer hinüberreichen läßt. Glück auf, Francis Bret Harte! Glück auf, mein Goldgräber!“ 24
Die milde Kritik, die Freiligrath an Bret Hartes Leistungen übt, bezieht sich nicht etwa auf einen unzureichenden sondern, im Gegenteil, auf einen übertriebenen Realismus, das .Unschöne'. 23
In einem drei Monate später geschriebenen Brief preist Freiligrath Hartes bald durch „kecken Humor 2 * 1 unwiderstehlich hinreißende, bald durch einfaches aber nicht minder wirksames Pathos tief ergreifende Schöpfungen, Seelengemälde von überraschender Feinheit und Schärfe; Charakterbilder, wie nur ein Dichter, ein echter rechter Dichter sie zu entwerfen im Stande ist!“. 27
Verglichen mit diesem dithyrambischen Erguß wirkt Fontanes Kritik ungleich abgestufter, tiefer, feinsinniger, moderner. Andere zeitgenössische deutsche Burteilungen stehen Freiligrath näher als Fontane. In den Grenzboten von 1873 28 wird der amerikanischen Literatur im allgemeinen zuviel Spekulantentum, Kalkulation und Materialismus angekreidet, aber Harte vermeide den „Grobrealismus“ gerade noch durch seinen Humor. In den März des Jahres 1873 fällt auch „Miggles“, die erste von sieben Übersetzungen von Erzählungen Bret Hartes im Salon. Übersetzerin war Sophie Verena. Ihrer Arbeit schickt sie eine Anmerkung vor, die aus stilisierten Allgemeinheiten besteht: „ ... einige der wunderbar schönen Skizzen ... diesem ganz ungewöhnlichen Talent ... so reichhaltig ... bei aller Einfachheit eine Großartigkeit und eine Tiefe des Empfindens... Meisterwerke ... eine ganz ungewöhnliche Schöpferkraft... 1,29 Karl Knortz preist in seinem Überblick (s. o.) „die einfache, ungekünstelte, mit wenigen markierten Strichen gezeichnete Darstellung der Karaktere“ im Luck of Roaring Camp, vergleicht ihn mit Dickens, gibt aber zu, daß zu seiner Riesenpopularität „die Neuheit des Stoffes sein Antheil beigetragen hat“. In den kalifornischen Erzählungen i. a. hebt Knortz die „strenge Objectivität und zum Erschrecken naturgetreue Schilderungen“ hervor. Vielleicht hat Fontane aus der Analyse der Gedichte Bret Hartes durch Kryjrtz Anregung geschöpft, ebenfalls die Verse Hartes zu besprechen. Alles in allem hat Fontane von Knortz, wenn überhaupt, nur informatorisch und sehr allgemein profitiert. 30
Auf anspruchsvollerem Niveau steht Ludwig Pietschs oben abgedruckte Rezension der hertzbergschen Übersetzung von Bret Hartes Califomischen Novellen, erschienen in der Vossischen Zeitung vom 24. Dezember 1873. Pietsch hält Harte für weit disziplinierter als Dickens; Harte sei deshalb
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