Wendung zu Bret Harte, auch für Fontanes eigenes Romanschaffen, ein bedeutendes Übergangssymptom für die allmähliche Befreiung von alten Modellen (Klassik, Romantik, Regionalismus, Idealismus, sentimentale Moralistik, Trivialstilisierung) in der Richtung eines unverbrauchten Neulandes, realistisch-authentischer Prosa, zu dem neben der amerikanischen Literatur auch die russische und die skandinavische gehören. Die Auseinandersetzung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft spielt sich bei Fontane bis zu seiner letzten Stunde ab und stellt das polare Element seines Schaffens und Lebens dar. Jedwede Festlegung Fontanes auf eine bestimmte Idee verbilligt diese vitale Intelligenz. Literarkritisch gehört die Bret-Harte-Studie, selbst unvollendet, zu den klügsten und klarsten literarischen Bewertungsmodellen ausländischer Literatur durch einen deutschen Autor seiner Zeit. Sowohl positiv wie negativ brachte Bret Harte Fontane ein gutes Stück weiter auf dessen Weg zur Weltliteratur . 43
Anmerkungen zu Teil I bis V
1 Uber die deutsche Rezeption amerikanischer Literatur im 19. Jahrhundert, siehe Horst Oppel, „Amerikanische Literatur“, Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, hrsg. von Werner Kohlschmidt, Wolfgang Mohr, Berlin, De Gruyter, 1958, I. 54-57 und Harold Jantz, „Amerika im deutschen Dichten und Denken“, Deutsche Philologie im Aufriß, hrsg. von Wolfgang Stammler, Berlin, Erich Schmidt, 1957, III, 179—183. Für unsere Fragestellung wenig ergiebig ist Hans Galinsky. „Deutschlands literarisches Amerikabild. Ein kritischer Bericht zu Geschichte, Stand und Aufgaben der Forschung“, In: Deutschlands literarisches Amerikabild, hrsg. von Alexander Ritter, Hildesheim und New York, Georg Olms 1977, S. 4—27, wo Fontane sich einen Satz mit Spielhagen, Raabe und Keller teilen muß. Es sei aber auf den Beitrag des Herausgebers „Amerika-Literatur 1945-1976. Eine Bibliographie zum literarischen Amerikabild und zu verwandten Themen“, S. 562-610, hingewiesen, der einen Versuch darstellt, die unbefriedigende bibliographische Erfassung zu diesem Themenkreis etwas aufzubessern.
la Eine namhafte amerikanische Germanistin nimmt an. Hartes selbstgewählte Kurzform „Bret“ habe Brecht dazu angeregt, sein erstes Pseudonym „Berthold Eugen“ in „Bert“ zu verwandeln (Marjorie L. Hoover, ,.,Ihr geht gemeinsam den Weg nach unten 4 . Aufstieg und Fall Amerikas im Werk Bertolt Brechts?“, in Amerika in der deutschen Literatur, hrsg. von Sigrid Bauschinger, Horst Denkler und Wilfried Malsch, Stuttgart, Reclam, 1975, S. 295).
2 Harte hat manche Einzelheiten seines damaligen Lebens verwischt, so daß die biographische Forschung heute noch teilweise im Dunkeln tappt und nicht immer Tatsache von Erfindung trennen kann.
3 Bret Harte’s German Public“, Jahrbuch für Amerikastudien, X (1965), 215-220.
4 Timpe, S. 216.
5 Timpe. ebenda.
6 Timpe, S. 217.
7 Manfred Keune, „Das Amerikabild in Fontanes Romanwerk“. Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik. II (1973), S. 24, (Fußnote 27). Wiederabgedruckt in Deutschlands literarisches Amerikabild (s. Anmerkung 1), S. 338—362.
Vgl. Keunes hochintelligente und kritische Studie, 1—25. Ich kann allerdings seiner Relativierung des Amerikanismus in Fontanes kleiner Geschichte „Im Coup£“ nicht zustimmen. (Es handelt sich hier um das Zusammentreffen, in einem Coupö eines Zuges nach Köln, zwischen einem Herrn, der nach Nordamerika auswandert, und einer Dame, die eine Stelle in England antreten will. Der Herr überredet die Dame, ihm nach Amerika zu folgen.) Keune erklärt: „Diese kleine Erzählung, die dem Amerikanismus offen huldigt, vertritt nicht die Meinung des Dichters.“ (S. 7) - schon an sich eine etwas kühne Behauptung. Kr begründet diese Deutung mit Hinweisen auf die „zweifelhafte Schwärmerei . den „schwärmerischen Ton“ (zweimal), der sich nur als Ironie Fontanes ansehen ließe: er spricht sogar von groteske(n) Töne(nV‘ (s. S. 6 und 7L Ich elaube. Keune vermengt zwei Dinge: die romanesk-kilschige Liebeshandlung. die den gartenlaubeähnlichen, konventionellen Rahmen bietet (Fontane ist in dieser Be-
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