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(2023) 30. Sonderheft
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3.8 Weißstorcherfassung und-schutz

Nach dem ersten internationalen Weiß­storchzensus 1934 wurde 1958 eine er­neute Zählung organisiert, an der sich auch Brandenburger Ornithologen betei­ligten. Diese Zählung gelang jedoch nicht lückenlos. In den Jahren 1959-63 machte sich Bernd LUDWIG( damals Mittenwalde ) an die Aufgabe, eine möglichst vollständi­ge Brutbestandskontrolle in den Kreisen Seelow , Beeskow , Fürstenwalde , Königs Wusterhausen und Zossen durchzuführen und dabei auch Neststandorte und Bruter­folg zu ermitteln( LUDWIG 1965). Ab 1964 begann LUDWIG dann, ein Netz von Stor­chenbetreuern in den Kreisen aufzubauen und möglichst regelmäßig Daten zusam­menzutragen. Bereits für 1966 lagen aus­wertbare Ergebnisse aus fast allen Kreisen vor. Bis Anfang der 1990er Jahre gelang nicht in jedem Jahr eine flächendeckende Erfassung, aber zu den nächsten interna­tionalen Zählungen 1974, 1984 und 1994 konnte dies abgesichert werden( LUDWIG 2008). Für die Zeit von 1964 bis 2005 führt LUDWIG( 2008) rund 130 ehrenamtliche Kreisbe­treuer auf, die in der Storchenerfassung tätig waren. Damit ist ein einzigartiger Datensatz entstanden, der Auskunft über langfristige Bestandsentwick­lungen, Bruterfolge, Populationsparameter und ( anhand von Beringungsergebnissen) Zugverhalten gibt. Bernd LUDWIG selbst koordiniert diese Arbeit bis zum heutigen Tag, also seit fast 60 Jahren.

Otis 30( 2023) Sonderheft

Abb. 55: Bernd LUDWIG- über Jahrzehnte hinweg Landeskoordi­nator der Weiẞstorcherfassung- bei der Beringung von Störchen in Waẞmannsdorf. Foto: T. Hinze/ Archiv NABU .

Im Jahr 1976 wurde Kurt KRETSCHMANN ( Bad Freienwalde ) auf einen alten, verfallenden Ziegel­brennofen in Rathsdorf- Altgaul aufmerksam, der seit Menschengedenken einen Storchenhorst trug. Sowohl aus Denkmal- als auch aus Naturschutzgrün­den sollte der Turm erhalten werden. Mit Hilfe einer Kulturbund- Jugendgruppe, den Natur- und Heimat­freunden und der örtlichen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft wurde der Turm instand­gesetzt und darin eine Lehrschau Weiẞstorch" sowie ein Archiv mit Weißstorch- Unterlagen eröffnet. Die dadurch entstandenen Kontakte führten 1978 zur Gründung des Arbeitskreises Weiẞstorch, den zu­nächst Kurt KRETSCHMANN und ab 1988 Christoph KAATZ leitete und der nun Aktivitäten zum Weiß­

storchschutz DDR - weit koordinierte. Nicht nur die Erfassung von Bestand, Neststandort und Brutbio­logie gehörten zu den Aufgaben des Arbeitskreises und seiner Mitglieder, sondern auch die Beringung sowie praktische Schutzmaßnahmen an den Horsten und zur Vermeidung von Verlusten an Stromleitun­gen. Ein Mitteilungsblatt wurde versandt( bis 1988 waren es 63 Rundschreiben) und die Öffentlichkeit über Storchenschutz informiert. Ab 1987 gab es spe­zielle Storchentagungen. Auch international bestan­den gute Kontakte zu anderen Storchenschützern ( KRETSCHMANN 1978, KRETSCHMANN 1987, HEM­KE 1988, KRETSCHMANN& KAATZ 1996). Nach der Wende schloss sich der Arbeitskreis als Bundesar­beitsgruppe Weißstorchschutz dem NABU an.

Einige Fachgruppen befassten sich über die " normale" Weiẞstorchbetreuung hinaus besonders eingehend mit dieser Art. Dazu gehörte insbeson­dere die Fachgruppe Rathenow , die unter Anlei­tung von Manfred MÜLLER von 1968 bis 1992 in Gemeinschaftsaktionen über 4.000 Jungstörche be­ringte, zahlreiche Ringablesungen beisteuerte und Horststandorte sicherte( RIEP 2015).