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4 Ornithologie in Brandenburg und Berlin nach 1989
4.1 Ornithologie in der Wendezeit 1989/1990 Die Wende 1989/90 brachte für die Ornithologie und die Ornithologinnen und Ornithologen Bran denburgs gravierende Veränderungen. Das war vor allem durch die besondere Situation einer innerbrandenburgischen Grenze zwischen West- Berlin und Ost- Berlin / Brandenburg gegeben. Durch die Öffnung der Grenze konnte nun ein direkter persönlicher Austausch entstehen, der insgesamt gesehen die Aktivitäten im Land förderte. Zahlreiche West Berliner Ornithologen und Naturfreunde erhielten meist erstmalig die Chance, die interessanten Naturgebiete im Berliner Umland kennen zu lernen. Etliche von ihnen„ entdeckten“ nun„ ihre❝ Lieblingsgebiete und unterstützten deren Unterschutzstellungen. Einige siedelten sogar ins Umland.
Die politischen Umwälzungen brachten Veränderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen Ostdeutschlands und im persönlichen Leben der Menschen mit sich. Selbstverständlich betraf das auch die Ornithologie. Die bisherigen Organisationsstrukturen überlebten die Wendezeit nicht, neue mussten gefunden werden.
Nach RUTSCHKE( 1998) mehrte sich bereits seit Anfang der 1980er Jahre die Unzufriedenheit mit der Organisation über die Bezirksfachausschüsse und den Zentralen Fachausschuss( ZFA). Er gibt als einen Grund dafür die sich verschärfenden Konflikte um den Umwelt- und Naturschutz infolge immer weiter intensivierter Landnutzung an. Die Fachgruppen, die sich ja neben der Ornithologie meist auch dem Naturschutz verschrieben hatten, wehrten sich im Rahmen des politisch Möglichen gegen die fortschreitende Naturzerstörung, fanden aber keinen Widerhall auf zentraler Ebene. So gab es schon Anfang der 1980er Jahre Überlegungen, einen eigenen, selbständigen Ornithologenverband der DDR zu gründen, zwar unter dem Dach des Kulturbundes, aber außerhalb der Gesellschaft für Natur und Umwelt( GNU). Das realisierte sich nicht, weil auch Heinrich DATHE als Vorsitzender des Zentralen Fachausschusses das nicht befürwortete.
Insoweit war der Boden für Veränderungen ab 1989 bereitet. Bereits am 15.11.1989 verabschiedete die Berliner Fachgruppe eine Resolution zur Herauslösung der GNU aus dem Kulturbund( OTTO
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2000). In der Sitzung des ZFA am 11.12.1989 votierte eine Mehrheit für die Schaffung neuer Organisationsformen, allerdings ohne Beschlussfassung. Inzwischen wurde landauf, landab in den Fachgruppen diskutiert, wie künftig Naturschutz und Vogelkunde außerhalb des Kulturbundes organisiert werden könnte. Die GNU begann sich zu zersplittern und aufzulösen( CASPAR 2010, BEHRENS 2010). Im Februar trat DATHE als Vorsitzender des ZFA zurück und Dieter WALLSCHLÄGER übernahm diese Aufgabe, zielgerichtet auf einen eigenen Ornithologenverband der DDR ( BLASCHKE 2010b, WALLSCHLÄGER 2020).
In der Delegiertenversammlung mit Vertretern der Fachgruppen am 24.03.1990 in Potsdam kam es dann zu hitzigen Diskussionen über die Sinnhaftigkeit eines eigenen Ornithologenverbandes, nachdem kurz zuvor mit der Volkskammerwahl die Weichen hin zu einer Wiedervereinigung Deutschlands auf der Basis der westdeutschen Gesellschaftsordnung gestellt worden waren. Die Mehrheit der Delegierten votierte für einen Beitritt in die bestehenden Organisationsformen der Bundesrepublik, wie Deutscher Bund für Vogelschutz, Deutsche Ornithologen- Gesellschaft und Dachverband Deutscher Avifaunisten . Der ZFA wurde aufgelöst( IUGR 2010, BLASCHKE 2010b).
Bereits am 10.03.1990 hatte sich der Naturschutzbund in der DDR gegründet- ein eigenständiger Verein, der aber von vornherein für eine spätere Fusion mit dem( west-) Deutschen Bund für Vogelschutz( DBV) vorgesehen war. Der brandenburgische Landesverband gründete sich am 31.03.1990, Heinz LITZBARSKI wurde Vorsitzender. Der Großteil der regionalen Fachgruppen schloss sich dem neuen Verband an. Am 13.11.1990 vereinigten sich DBV Berlin( West) und Naturschutzbund Berlin ( Ost), am 17.11. auch die beiden Gesamtverbände unter dem Namen Naturschutzbund Deutschland( NABU). Auch andere Naturschutzverbände wie der BUND und die Grüne Liga bildeten Landesstrukturen, die aber aus dem Kreis der fachlich aktiven Naturschützer weniger Interessierte anzogen als der NABU . Damit war die Neuorganisation des Naturschutzes in