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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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m))))))))) DL Hermann Schöler/ Erna Illichmann: Selbstkorrekturen bei Erzählungen: Ein Vergleich zwischen sprachunauffälligen und sprachbehinderten

Kindern

rungen von Äußerungen definiert, die zu einer angemesseneren Darstellungs­form führen sollen. Unterschieden wer­den dabei Korrekturen,(a) die zu einer eindeutigen Referenz führen(Ambigui­tätsreduktion, AA-repairs),(b) bei denen eine adäquatere Wortwahl, ein präzise­rer /exikalischer Ausdruck gesucht wird (AL-repairs) und(c) die eine Äußerung mit dem vorher Gesagten kohärent(AC­repairs) machen sollen. Solche A-Kor­rekturen traten bei den Erzählungen der von uns untersuchten Kinder fast über­haupt nicht auf. Sie lassen sich auch nur sehr schwer von Nachstellungen und nachträglichen Erweiterungen einer Äu­ßerung(Expansionen) unterscheiden. Als C-Korrekturen(Covert-repairs) sind zwei Arten von Unterbrechungen defi­niert, bei denen(1) ein Indifferenzlaut bzw. einediting term geäußert werden oder(2) ein oder mehr Wörter wieder­holt werden.

Selbstkorrekturen

Wir möchten uns bei der nachfolgenden Betrachtung vor allem auf Fehlerkorrek­turen(E-Korrekturen) beschränken. Ei­ne solche Korrektur liegt dann vor, wenn der Sprecher eine seiner Meinung nach falsche Äußerung bzw. falschen Teil ei­ner Äußerung bemerkt, die Äußerung unterbricht und verbessert. In Anlehnung an Levelt(1983; vgl. auch Ramsge, 1973) unterscheiden wir drei Ar­ten von Fehlerkorrekturen: die Verbes­serung einer auf(1) lexikalischer(EL­Korrektur),(2) grammatischer(ES-Kor­rektur) oder(3) phonologischer(EF­Korrektur) Ebene fehlerhafte Äuße­rung. Dazu einige Beispiele aus unseren Transkripten der Kinder-Erzählungen: (1) EL-Korrekturen:

Dann tut er Ding Salat her tun

So eins wie mer mal da beim Stall

gehör-habt haben (2) ES-Korrekturen:

Und bei Papa ihr-äh mein Papa

sein, sein hm, mhm sein Tascha

geht er nei

Auf anern kam ich in eine Stein zu

zu einem Stein

Kam ich an eine an einen Baum (3) EF-Korrekturen:

Der Jäger wirds bestimmt er vrer

vrer erfreien erfreien

Ich war mit dem fut ich wart mit

dem fotografrert Solche Selbstkorrekturen erfordern ein bestimmtes Maß an sprachlichem Wis­sen, an Kontrollprozessen(monito­ring), denn ohne solche Kontrollen und Vergleiche würde ein Korrekturvorgang nicht initiiert werden können. Selbstkor­rekturen können darüberhinaus als re­gelgeleitetes sprachliches Verhalten be­trachtet werden(Ramge, 1973). Strukturmerkmale der vorangegange­nen Äußerung bis zur Unterbrechung werden bei der Korrektur in systemati­scher Weise beachtet(Levelt, 1983). Wenn man bei sprachbehinderten Kin­dern gerade Schwierigkeiten mit struk­turellen Eigenschaften der Sprache po­stuliert, könnten_Selbstkorrekturen möglicherweise weniger gelingen oder weniger häufig auftreten oder sich auch weniger an strukturellen Merkmalen der vorangegangenen Äußerung orientie­ren, als dies bei sprachunauffälligen Kin­dern der Fall ist: So glücken laut Ramge (1973) bei sprachunauffälligen Kindern in fast allen Fällen die vollzogenen Selbstkorrekturen. Selbstkorrekturen sprachlicher Äuße­rungen kann man auch provozieren, in dem man Nicht-Verstehen signalisiert (vgl. Käsermann und Foppa, 1981). Bei einer solchen Untersuchung konnte Hu­ber(1978) zeigen, daß sich sprachunauf­fällige und sprachbehinderte Kinder bei der Äußerungskorrektur unterschieden: Im Gegensatz zu den sprachunauffälli­gen Kindern ließen die dysgrammatisch sprechenden Kinder Funktionswörter weg, sie reduzierten ihre korrigierten Äußerungen eher auf die semantische Ebene(vgl. den von Kolpowskaja, 1979, beschriebenennaiven Semantismus), anstatt die Äußerungen zu erweitern und damit angemessener zu gestalten, wie dies die sprachunauffälligen Kinder taten.Tilgungen der Sprachgestörten führen meist nicht zu einer besseren

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 2, 1987

Verständigung, da strukturell notwendi­ge oder wichtige, informationstragende Elemente weggelassen werden. So wur­den von den Sprachgestörten vor allem einzelne Wörter, und zwar Funktions­wörter, getilgt, was vermehrt zu unvoll­ständigen Äußerungen führt, die oft bis auf ein Inhaltswort zusammenschrump­fen(Huber, 1978, S. 88). Selbstkorrekturen von Kindern können neben dem Hinweis auf Situations­und Partner-Wissen auch Hinweise auf das sprachlich-linguistische Wissen liefern. So korrigieren die Kinder der Studie von Ramge(1973) viele sprachli­che Formen, die typisch für frühere Er­werbsstufen sind, wie beispielsweise übergeneralisierte morphologische For­men.Der Sechsjährige korrigiert sich, weil er die standardsprachlich korrekte Form kennt und aufgrund des feed-back merkt, daß er zuerst einefalsche Regel angewendet hat. So verbinden sich in den Selbstkorrekturen Prinzipien der Spracherzeugung und der Sprecherzeu­gung im Vollzug sprachlichen Han­delns(Ramge, 1973, S. 178). Hypothese. Wenn das sprachlich-lingui­stische Wissen dysgrammatisch spre­chender Kinder nicht in dem Maße wie bei vergleichbaren sprachunauffälligen Kindern erworben bzw. ausgebildet ist, ist zu erwarten, daß sich sprachunauffäl­lige und sprachbehinderte Kinder hin­sichtlich ihrer Selbstkorrekturen unter­scheiden. So nehmen wir an, daß Selbst­korrekturen bei sprachbehinderten Kin­dern weniger häufig auftreten als bei sprachunauffälligen Kindern. Die Spra­che dysgrammatisch sprechender Kin­der ist durch viele morphosyntaktische Fehler gekennzeichnet. Selbstkorrektu­ren solcher Fehler müßten, gemessen an der Fehlerrate, ständig erfolgen. Ande­rerseits entdecken die sprachbehinder­ten Kinder aber wesentlich weniger morphologische Fehler in Sätzen als al­tersgleiche sprachunauffällige Kinder (Schöler, Anzer und Illichmann, 1986). Wir spezifizieren die obige Annahme in­sofern, als wir bei morphosyntaktischen Fehlern weniger Selbstkorrekturen(ES­Korrekturen) erwarten.

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