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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Kindern

Methode

Untersuchungsstichprobe. An der Unter­suchung nahmen insgesamt N= 100 Kinder der ersten vier Grundschulklas­sen teil. Davon besuchten N= 57 Kinder eine Schule für Sprachbehinderte und waren als dysgrammatisch sprechend diagnostiziert worden(nach Aktenlage und Lehrerurteil).

Tab. 1: Aufteilung der Stichproben auf die Klassenstufen.

Klasse Dysgrammatiker Vergleichs­gruppe

1 23 11

2 15 11

3 11 9

4 8 n

Gesamt 57 43

Die Vergleichsgruppe der N= 43 sprachunauffälligen Regelschüler unter­scheidet sich hinsichtlich der Alters- und Geschlechtsverteilung nicht von den Sonderschülern. Dagegen sind in der Sonderschulgruppe die Kinder aus sozial niedrigeren Schichten überrepräsentiert, obwohl bei der Auswahl der Regel­grundschulen ein den Sonderschulen vergleichbares Einzugsgebiet gewählt war.(Eine detaillierte Beschreibung der Untersuchungsstichprobe findet sich in Schöler, Anzer und Illichmann, 1987.) Bei Ramge(1973), bei dessen Studie ge­rade die Frage nach der Sozialschichtab­hängigkeit von Selbstkorrekturen im Vordergrund stand, ergaben sich aller­dings keine Hinweise für einen Effekt der Schichtabhängigkeit von Selbstkor­rekturen, so daß diesem Verteilungsun­terschied in unserem Untersuchungszu­sammenhang wenig Bedeutung zuzu­messen ist.

Erhebung und Auswertung der Selbstkorrekturen

Die Kinder hatten die Aufgabe, über ein Erlebnis mit einem Tier zu berichten. Die Tonbandaufzeichnungen dieser Er­zählungen wurden transkribiert. Aus

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den Transkripten wurden alle Unterbre­chungen und Verzögerungen herausge­sucht. Bei Unklarheiten wurden die Tonbandaufzeichnungen erneut ange­hört. Die so gewonnenen Transkripte der Unterbrechungen und Verzögerun­gen von Äußerungen wurden von den beiden Autoren unabhängig voneinan­der kategorisiert, wobei das Kategorien­system von Levelt(1983) zugrundege­legt wurde.

Die Übereinstimmung der beiden Beur­teiler lag bei ca. 85% der Kategorisierun­gen. Bei den differierenden Kategorisie­rungen, vor allem bei den A-Korrektu­ren auftretend, wurden in einem einge­henden und sehr zeitaufwendigen Dis­kussionsprozeß gemeinsam Beurteilun­gen vorgenommen.

Ergebnisse

In den 97 Protolkollen(aufgrund man­gelhafter Tonbandaufzeichnungen konnten drei Erzählungen von Kindern der Vergleichsgruppe nicht ausgewertet werden), die in ihrem Umfang erheblich schwanken(vgl. Tab. 2), stellten wir ins­gesamt 663 Unterbrechungen und Ver­zögerungen von Äußerungen fest. Den größten Anteil haben dabei die Pausen und Wiederholungen von Wörtern(Korrekturen). Der Anteil von 43% liegt deutlich höher als der bei Erwachsenen festgestellte Anteil von 24%(Levelt, 1983). Da wir D- und A-Korrekturen in den meisten Fällen nicht gut differenzie­ren konnten, haben wir beide Korrektur­Arten als Ergänzungen, Expansionen und Sprechstrategiewechsel zusammen­gefaßt: Ihr Anteil beträgt ca. 30%. Die uns vor allem interessierenden Selbst­korrekturen(E-repairs sensu Levelt, 1983) haben einen Anteil von ca. 27%, der damit deutlich unter dem bei Er­wachsenen festgestellten Wert von 42% liegt(Levelt, 1983). Dabei liegt der An­teil der Selbstkorrekturen an den Unter­brechungen und Verzögerungen bei den Dysgrammatikern bei 31%, bei der Vergleichsgruppe bei 22%.

Der Anteil an Verzögerungen und Un­terbrechungen bei den Erzählungen, je­

Hermann Schöler/ Erna Illichmann: Selbstkorrekturen bei Erzählungen: Ein Vergleich zwischen sprachunauffälligen und sprachbehinderten

weils gemessen als Verhältnis zwischen Korrekturen und Anzahl der Wörter, liegt zwischen 3% und 7% bei allen Gruppen. Man kann also davon ausge­hen, daß unabhängig von der Länge der Erzählungen ein annährend gleicher An­teil an Verzögerungen und Unterbre­chungen auftritt. Ramge berichtet, daß im Durchschnitt jedes 177. Wort mit ei­ner Selbstkorrektur im Zusammenhang steht(1973, S. 183). Aus Vergleichs­gründen haben wir ebenfalls dieses sehr grobe Maß berechnet: Bei einer Ge­samtzahl von 13914 Wörtern und 179 Selbstkorrekturen ergibt sich bei unserer Untersuchung ein Quotient von 78, d. h. jedes 78. Wort steht in der vorliegenden Untersuchung mit einer Selbstkorrektur in Beziehung.

Wie aus Tabelle 2 ersichtlich, schwan­ken die Anteile der Korrektur-Arten von Klassenstufe zu Klassenstufe, wobei die Streubreite bei den dysgrammatisch sprechenden Kindern höher zu sein scheint als bei den Regelgrundschülern. Die Unterschiede zwischen den beiden Gruppen erweisen sich als bedeutsam: Die Verteilung auf die einzelnen Kor­rektur-Arten ist in den beiden Gruppen statistisch signifikant(21= 17,22; ch29.001:2= 13,82), d.h. die Verteilung entspricht nicht der nach Maßgabe der Randsummen zu erwartenden Vertei­lung: Die dysgrammatisch sprechenden Kinder und die sprachunauffälligen Kinder unterscheiden sich hinsichtlich der Anteile der unterschiedenen Korrek­tur-Arten: Während die Dysgrammati­ker relativ mehr E- und C-Korrekturen produzieren, sind bei den sprachunauf­fälligen Kindern die Anteile der D-/A­und C- Korrekturen annähernd gleich, der Anteil der E-Korrekturen ist jedoch geringer(vgl. Tab. 2).

Auch bei einer Betrachtung der unter­schiedenen Selbstkorrekturen werden Unterschiede zwischen den beiden Gruppen sichtbar(vgl. Tab. 3): Die Ver­teilung auf die drei Arten weicht signifi­kant von der zu erwartenden Verteilung ab(21= 10,51; ch29.01:2= 9,21), d. h. die dysgrammatisch sprechenden und die sprachunauffälligen Kinder unterschei­den sich in den Anteilen der drei Selbst­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 2, 1987