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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Franz B. Wember: Empirische Befunde zum konkret-operatorischen Denken und schulischen Lernen bei Schülerinnen und Schülern der Schule

für Lernbehinderte

Tab. 7: Regression der Schulleistungen lernbehinderter Sonderschüler im Lesen und Rechnen auf

TEKO-Variablen(N= 50, Lernstufen 1-3).

Kriteriums- Prädiktor­

variable variable F I IR IR?+IR2

Rechnen AS 31.28 ‚63 ‚63 39 39 0Z 9.67 ‚60Al 50 10 KI 5.42-.30.74 55 5 ME 1.14-.13 15 56 1 SE ‚87 32.76 57 1 RF.46 ll.76 58 1

Lesen OZ 19.25 ‚54 ‚54 29 29 ME 3:53 31 ‚58 34 5 SE 2.89.40 ‚61 38 4 KI 2.46-.10 ‚64 41 3 ZE 1.08.23 ‚65 42 1 AS 2.09 36 ‚67 45 3 MA J5.26 ‚68 46 1

Tr= prognostischer Validitätskoeffizient

R= multipler Regressionskoeffizient

R2= multipler Determinationskoeffizient

+R2= Verbesserung der Prognosegenauigkeit bei Einschluß des Kriteriums

in Prozent der Kriteriumsvarianz

auffassen kann, es gäbe keine statistisch signifikanten, bivariaten linearen Bezie­hungen zwischen den Prädiktoren und dem Kriterium(vgl. Larzelere& Muliak 1977, 558-559). Sollten sich die hier vor­gelegten regressionsanalytischen Befun­de bei Kreuzvalidierungsversuchen an neuen Stichproben stabilisieren, wird man derTestbatterie zur Erfassung Ko­gnitiver Operationen im Bereich der er­sten drei Klassen der Schule für Lernbe­hinderte praktische Qualitäten bei der Schulerfolgsprognose kaum absprechen können.

Bei den lernbehinderten Sonderschü­lern auf Lernstufe 4(vgl. Tabelle 6) zeig­ten sich durchweg niedrigere Korrelatio­nen als bei den jüngeren Kindern, aber auch hier zeichnet sich deutlich ein posi­tiver Zusammenhang zwischen der kognitiven Entwicklung und der schuli­schen Leistungsentwicklung ab(/z/= 4.42, p<.001; Vorzeichentest, zweiseiti­ge Fragestellung). Es scheint jedoch rat­sam, die Ergebnisse in dieser Altersgrup­pe wegen des geringen Stichprobenum­fangs(N= 26) zurückhaltend zu inter­pretieren, denn erhebliche Stichproben­fluktuation der Statistiken ist in diesem Fall nicht auszuschließen, so daß die

Verläßlichkeit der Ergebnisse ver­gleichsweise niedrig angesetzt werden und die Parameterschätzung ungenau bleiben muß.

Schlußfolgerungen

Die hier vorgelegten Ergebnisse stützen die Befunde der Literaturanalyse. Die seit Jahrzehnten immer wieder ausge­sprochene, aber selten belegte Behaup­tung, Lernbehinderte seien Schüler mit kognitiven Entwicklungsrückständen, kann zumindest unter einem Gesichts­punkt, nämlich im Rahmen der Ent­wicklungspsychologie Piagets, empirisch erhärtet und präzisiert werden: Lernbe­hinderte Sonderschüler erwerben kon­krete Operationen, wie sie für das Ver­stehen von Invarianzbegriffen, Klassifi­kationen, Zuordnungen, Seriationen, Positionsfolgen und_Transitivitäts­schlüssen erforderlich sind, um ein bis zwei Jahre später als gleichaltrige Regel­schüler. Falls sich dieser Befund, der sich in den Untersuchungen von Schröder (1975), Nay(1979) und Salkowsky(1981) bereits angedeutet hatte, in Folgestu­dien replizieren läßt, ergeben sich nicht

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 2, 1987

nur theoretische, sondern auch prakti­sche Implikationen im Hinblick auf eine entwicklungspsychologisch fundierte, sonderpädagogische Diagnostik und Intervention.

Die in dieser Untersuchung erhobenen konkret-operatorischen Denkleistungen korrelierten vergleichsweise hoch mit der schulischen Leistungsentwicklung. Varianzaufklärungen von 47% im Lesen und 58% im Rechnen belegen Piagets Theorie von der elementaren Bedeu­tung konkreter Operationen und lassen den TEKO als praktikables Instrument zur Schulleistungsprognose bei lernbe­hinderten Sonderschülern der ersten drei Lernstufen erscheinen, wenngleich einschränkend darauf hinzuweisen ist, daß die Stabilität der hier vorgelegten Befunde zunächst in Kreuzvalidierungs­versuchen an neuen Stichproben geprüft werden muß und daß die effektive pro­gnostische Validität erst in wirklichen Prognosestudien, in denen praktisch re­levante Vorhersagezeiträume zwischen der Erhebung der abhängigen und der unabhängigen Variablen liegen, geklärt werden sollte, bevor man den Test zum Einsatz bei Individualdiagnosen emp­fiehlt.

Im Bereich der sonderpädagogischen Diagnostik sollte man sich jedoch nicht darauf beschränken, lediglich bestehen­de Meßinstrumente zu prüfen; denn ge­rade im Bereich der operatorischen Dia­gnostik bietet es sich an, eigene, sorgsam abgestufte Sequenzen von Prüfungsauf­gaben zu entwickeln, anhand derer man den allmählichen Aufbau konkreter und formaler Operationen durch die sukzes­sive Integration und Koordination von Vorbegriffen und Teillösungen abbilden kann. Bei der Konstruktion solcher mikroanalytischer MeßBßinstrumente könnte man auf die Erkenntnisse aus zahlreichen empirischen Studien zu­rückgreifen, die teils schon als Untersu­chungsreihen mit systematisch variier­ten Schwierigkeitsgraden angelegt sind (vgl. z.B. zum Hebelgesetz Siegler 1978, zum Zahlbegriff Siegel 1978). Solche Testreihen wären sehr viel sensitivere Meßinstrumente als die bislang verwen­deten operatorischen Tests, denn sie

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