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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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für Lernbehinderte

könnten mikrogenetische Entwicklungs­sequenzen abilden, die in kleinen Schrit­ten zu bestimmten Ooperatorischen Strukturen führen. Bei Kenntnis valider mikrogenetischer Sequenzen wäre der Sonderschullehrer in der Lage, den Ent­wicklungsstand eines individuellen Schülers im Hinblick auf die am Ende ei­ner Sequenz stehenden Entwicklungs­ziele recht präzise zu bestimmen und darauf aufbauend adaptive pädagogi­sche Maßnahmen zu ergreifen, die den Schüler genau an dem Punkt anspre­chen, an dem er sich in seiner Ent­wicklung befindet. Damit wäre man der zentralen Forderung Kanters(1970, 259-260) ein bedeutendes Stück näher­gekommen, die allgemeinen Unter­richtsprinzipien der Hilfsschulpädagogik durch gezielte Lernhilfen zu ersetzen, die der Sachlogik und zugleich dem Auf­bau der Erkenntnis entsprechend suk­

Literatur

zessive nach Schwierigkeistsstufen fort­schreiten. Daß solch ein diagnostisch­präskriptiver Unterricht möglich ist, be­legen die Ergebnisse der lanjährigen Forschungsarbeit zur Konzeption einer struktur- und niveauorientierten Dia­gnostik und Didaktik von Probst(1979; 1980) und Kutzer(1979).

Möglicherweise ist es überhaupt sinn­voll, Erkenntnisse aus Piagets Ent­wicklungspsychologie in präskriptive Handlungsempfehlungen für sonder­pädagogischen Unterricht umzusetzen ­was der Autor an anderer Stelle (Wember 1986, 183-236) versucht hat ­und realwissenschaftlich zu prüfen. In einem Unterrichtsversuch zur Flächen­geometrie verglich Hans Aebli bereits 1949(dt. 1963) die Wirksamkeit einer traditionellen Methode, die durch bildlich-anschauliche Medien und eine straff gelenkte Erarbeitung gekennzeich­

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Franz B. Wember: Empirische Befunde zum konkret-operatorischen Denken und schulischen Lernen bei Schülerinnen und Schülern der Schule

net war, mit der einer auf Piagets Ent­wicklungspsychologie basierendenakti­ven Methode des handelnden Lernens in sinnvollen Problembezügen. Wenn­gleich Aeblis Experiment heutigen me­thodischen Kriterien kaum standhalten dürfte, sollte sein empirisches Ergebnis doch Anlaß sein, eine entwicklungspsy­chologische Konzeption von Unterricht gerade in der Lernbehindertenpädago­gik sorgsam zu prüfen. Aebli fand näm­lich heraus, daß die guten Schüler unter beiden Unterrichtsbedingungen erfol­greich lernten, aber die leistungsschwa­chen Kinder konnten nur durch aktive Methoden die Operationen zur Berech­nung von Umfang und Fläche des Rech­tecks erlernen und sicher beherrschen (Aebli 1963, 163):Die schwächeren Un­tergruppen... sind es, welche die Überle­genheit der aktiven Methode beweisen

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HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 2, 1987