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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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wicklung kognitiver Leistungen bei Kindern herausgestellt und auf die Gruppe lernbehinderter Kinder spezifi­ziert. ad. 2. Der letztgenannte Aspekt wurde durch eine eigene Studie ergänzt. Es wird eine Untersuchung über korrelative Zusammenhänge zwischen konkret­operatorischem Denken einerseits und traditionellen Intelligenztestergebnissen und schulischen Leistungen anderer­seits bei Lernbehinderten vorgelegt. Die Korrelationen zu den Intelligenzmaßen (HAWIK) sind mäßig, zu den schuli­schen Leistungen bewegen sie sich im mittleren Bereich mit theoriekonstant deutlicheren Maßen zu den mathemati­schen als zu sprachlichen Schulleistun­gen. Der Autor vergleicht diese Ergebnisse nicht mit den wenigen Untersuchungen aus dem deutschen Sprachraum, son­dern zieht zahlreiche Studien aus dem anglo-amerikanischen Forschungsbe­reich heran und kommt so zu einer reali­stischen Bewertung der eigenen Ergeb­nisse. ad. 3. Der dritte Teil der Arbeit hat die (sonder)pädagogische Auswertung der Entwicklungspsychologie Piagets zum Gegenstand. Experimentelle Trainings­studien und anglo-amerikanische Vor­schulcurricula zur kurzfristigen Förde­rung operatorischen Denkens werden im Überblick referiert und hinsichtlich ihrer theoretischen und praktischen Er­träge evaluiert. Dieses Kapitel, das we­gen seiner Aussagen(Formulierung cur­ricularer und methodischer Prinzipien) von besonderem pädagogischen Interes­se ist, trägt mehr umrißhaften Charakter, Der Autor hat es stärker als Aufweis von Perspektiven verstanden, und es dürfte durchaus von Interesse sein, wie weit sich manche Vorschläge verwirklichen lassen. Man darf davon ausgehen, daß weitere Forschungsarbeiten in der Lernbehin­dertenpädagogik zu Piagetbezogenen Fragestellungen auf die Arbeit von Wember Bezug nehmen müssen. Friedrich Masendorf, Köln

Heim, Nikolaus: Psychiatrisch-psycholo­gische Begutachtung im Jugendstrafver­fahren. 150 Seiten, kartoniert. 1986 Carl Haymanns Verlag KG., Köln, Berlin, Bonn, München.

In der sehr lesenswerten Einleitung stellt der Autor die Bedeutung her­aus, die dem psychiatrischen Sachver­ständigen im Spannungsfeld zwischen Strafrecht, Medizin und Kriminologie zukommt und benennt als die der fakti­schen und prozessualen Stellung inhä­renten Rollenkonflikte die zwischen Gutachter und Richter bzw. zwischen Angeklagtem und Gutachter.

Wegen der fehlenden Sonderstellungen des Sachverständigen im Jugendstraf­verfahren(sie wäre wegen der speziellen Probleme zu erwarten, auch im Sinne des JGG) wird eine kritische Betrach­tung für wert erachtet.

In einer kenntnisreichen Darstellung wird die Stellung des Gutachters ge­genüber dem Richter, der Souverän des Verfahrens bleibt, charakterisiert und hinterfragt.

Schließlich wird die Abwehrhaltung in der juristischen Literatur gegenüber der Verwertung des psychiatrischen Sach­verständigen diskutiert und an der gerin­gen Zahl der Beteiligung von Sachver­ständigen bezogen auf abgeurteilte Fälle empirisch erhärtet. Eine Ausnah­me bilden die Tötungsdelikte in Jugend­strafverfahren(bei denen fast immer ei­ne Begutachtung erfolgt), ein Phäno­men, das als psychische Entlastungsten­denz der Jugendrichter interpretiert wird.

Auf Seiten der jugendpsychiatrischen Forensik werden Konflikte, Spannun­gen und Unerträglichkeiten gesehen we­gen der Notwendigkeit, das Feld von Psychiatrie und Psychologie gegenein­ander abgrenzen zu müssen. Diese The­matik wird differenziert angesprochen. Bevor die eigenen Untersuchungen er­läutert werden, wird der Stand der empi­rischen Forschung hinsichtlich Bedeu­tung, Qualität und Funktion psychiatri­scher Gutachten im(Jugend-) Strafver­fahren von empirischer Seite her darge­stellt. Die Ausbeute ist eher mager bzw. bringt einige Aspekte zutage, die eher

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 2, 1987

negativ sind wie etwa der, daß die Forde­

rung nach Neutralität des Sachverständi­

gen in weniger als der Hälfte der Gutach­ten erfüllt ist und auch sonst häufig Män­gel zu verzeichnen sind wie z. B., daß bei

Begutachtung von Tötungsdelinquen­

ten bei der Exploration der Täter-Opfer­

Beziehung zu wenig Aufmerksamkeit

geschenkt wird und anderes mehr.

Auch psychologische Testergebnisse

werden in ihrer Bedeutung für den Ent­

scheidungsprozeß des Gutachtens zu wenig geklärt.

Dieser Abschnitt dürfte für jeden amtie­

renden und potentiellen Gutachter von

Wichtigkeit sein.

Die eigene Untersuchung des Autors be­

ruht auf der Auswertung von Strafakten

(Jahrgang 1975 bis 1982) der Jugend­

strafkammer beim Landgericht Berlin

(West). Die Analyse der forensischen

Gutachten über jugendliche Aggres­

sionstäter erfolgte mit Hilfe eines Exper­

ten-Ratings, das von 8 Psychologen so­wie 8 Jugendrichtern des Amtsgerichts

Berlin-Tiergarten vorgenommen wurde.

In Anlehnung an diverse Kriterien für

die Güte von Gutachten, die der ein­

schlägigen Literatur entnommen waren, erhielt das Rating-Instrument der hier

genannten Untersuchung folgende 8

Schwerpunkte:

Gutachtenaufbau; Exploration; Psy­chologische Tests; Befunde; Foren­sische Stellungnahme; Beziehung: Gutachter-Begutachtungsperson; Fehlerquellen; Gesamteinschät­zung.

Da es sich vornehmlich um Aggressions­

delikte handelte, wurde eine Darstellung

des charakteristischen Entwicklungsver­laufs von personenbezogenen Aggres­sionsdelikten nach mehreren Autoren gegeben und versucht, die Aggressions­delikte männlicher Jugendlicher bzw.

Heranwachsender($ 105 JGG) aufgrund

der Kombination bestimmter Tatstruk­

turmerkmale nach Subgruppen zu diffe­renzieren.

Es wurde eine Reihe von Variablen fest­

gelegt(etwa(1) Jugendlicher/Heran­

wachsender;(2) Einzeltäter/Gruppentä­ter usw.) und eine Clusteranalyse der

Tatstrukturmerkmale durchgeführt.

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