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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Editorial

Professor Dr. Dr. h. c. Gustav Otto Kanter zum 60. Geburtstag

Von Hartmut Willand

Am 9. 1. 1987 hat Prof. Dr. Dr. h. c. Gustav Kanter sein 60. Lebensjahr voll­endet. Dieses Datum bietet Gelegen­heit, auf die vielfältigen Verdienste von Gustav Kanter in der behindertenpäda­gogischen Forschung und Lehre sowie in der Bildungspolitik und akademi­schen Selbstverwaltung hinzuweisen und sie zu würdigen.

Gustav Kanter hat wie kaum ein anderer die Sonderpädagogik als Wissenschaft und ihre bildungspolitischen Kompo­nenten innerhalb der letzten Jahrzehnte wesentlich geprägt. Aufgrund seiner Verdienste beim Aufbau eines Fernstu­diengangs Sonderpädagogik wurde der am psychologischen Institut in Marburg promovierte Dr. rer. nat. 1982 mit der Ehrendoktorwürde Dr. phil. der Erzie­hungswissenschaft ausgezeichnet.

Dr. rer. nat. Dr. phil. h. c. Gustav Kanter hat bereits während der Gründerjahre in der Marburger VereinigungLebenshil­fe für das behinderte Kind aktiv mit­gearbeitet und ist seit fast zwei Jahrzehn­ten im Verband Deutscher Sonderschu­len- Fachverband für Behindertenpäd­agogik- verantwortlich tätig. Neben der Funktion als Schriftleiter der von diesem Verband herausgegebenenZeitschrift für Heilpädagogik hat er in der Nachfol­ge seines verstorbenen akademischen Lehrers Prof. Dr. Dr. Helmut von Brak­ken die Mitherausgeberschaft derHeil­pädagogischen Forschung übernom­men.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIII, Heft 3, 1987

Gustav Kanters Jugendwunsch war es, Ingenieurwissenschaften zu studieren. Die Umstände der Weltwirtschaftskrise

und die Zeit des Nationalsozialismus,

die in Kanters Jugend fielen, seine Fami­lie bedrohten und schließlich zerstörten und ihn nach seinem Einsatz als Luft­waffenhelfer und Frontsoldat in Gefan­genschaft brachten, erzwangen im Zu­sammenhang mit den Nachkriegswirren jedoch eine Umorientierung. Nach eini­ger Zeit der Tätigkeit als Schulhelfer er­folgte ein reguläres Lehrerstudium, dem sich ein Studium der Sonderpädagogik mit Dienst an Volks- und Sonderschulen anschloß. Darauf folgte ein breit ange­legtes Studium in Physiologie, Psycho­pathologie, Erziehungswissenschaft und Psychologie, in der sowohl das Diplom erworben als auch die Promotion absol­viert wurde.

Hier wurden bereits wesentliche Grund­lagen im Hinblick auf eine empirische orientierte Begründung der Sonderpäd­agogik gelegt, die am damaligen Dis­kussionsstand gemessen, das Betreten von Neuland bedeutete. Diese Bemü­hungen, in der Folgezeit fortgeführt, ha­ben die empirische Sonderpädagogik entscheidend gefördert und u.a. im Handbuchartikel von 1985 die Methodo­logie eines erfahrungswissenschaftli­chen Ansatzes in der Behindertenpäda­gogik auf den Begriff gebracht, zur Über­püfung der Ethik analytisch-empirischen Vorgehens in seiner Auswirkung für den behinderten Menschen geführt(1986) und neben dem seinerzeit grundlegen­den Gutachten für den Deutschen Bil­dungsrat(1974) zu umfangreichen Edi­tionsreihen geführt.

Gustav Kanter ist jedoch nie der Gefahr erlegen, die von ihm wesentlich geför­derte und geprägte empirische For­

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