Verhaltensgestörtenpädagogik
Einführung in den Themenschwerpunkt
Von Franz Petermann
Die heilpädagogische und psychologische Forschung hat sich in den letzten Jahren intensiv mit verschiedenen Behinderungen im Kindes- und Jugendalter auseinandergesetzt. Ein Bereich ist jedoch stark vernachlässigt worden: die Verhaltensgestörtenpädagogik oder die psychologisch fundierte Beschäftigung mit Verhaltensstörungen. Diese Sachlage steht im krassen Gegensatz zu der Verbreitung von Verhaltensstörungen— wie sie schon 1971 Thalmann für das Grundschulalter berichtete. Verhaltensstörungen sind zu einer der häufigsten und zugleich einer der folgenschwersten Beeinträchtigungen im Kindes- und Jugendalter geworden. So ist bekannt, daß massive Verhaltensstörungen Auswirkungen auf die schulische Leistungen besitzen(vgl. z. B. Meichenbaum, 1979). Auf solche Zusammenhänge und neueste lerntheoretische Forschungsergebnisse geht der einleitende Beitrag von Eisert ein. Seine systematische Übersicht verdeutlicht, welche Chancen eine psychologische Grundlagenforschung für die Verhaltensgestörtenpädagogik besitzt; er beschränkt sich dabei vornehmlich auf kindliche Aggression.
Das vorliegende Themenheft berichtet besonders ausführlich über die am weitesten verbreitete Verhaltensstörung: das aggressive Verhalten von Kindern der Altersgruppe von 8 bis 18 Jahren. Hierzu wurden von unserer Bonner Arbeitsgruppe verschiedene Projekte in den letzten 10 Jahren durchgeführt, von denen nur eine kleine Auswahl in diesem Band aufgenommen werden konnte. Gänzlich verzichtet wurde auf die Darstellung der praktischen Arbeit mit aggressiven Kindern(vgl. hierzu jedoch Petermann& Petermann, 1984). Petermann berichtet über einen noch weitgehend unbekannten Zugang zur Verhaltensdiagnostik. Dieser Beitrag möchte aufzeigen, daß durch eine detaillierte Erfassung situativer Faktoren Verhaltensstörungen beim Kind besser festgestellt werden können. Drescher legt in seinem Beitrag besonderen Wert auf die Analyse und Veränderung der familiären Umwelt, um dadurch aggressives Verhalten nachhaltig abbauen zu können. Junglas berichtet aus der Sicht des Kinder- und Ju
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986
gendpsychiaters über die systematische Arbeit mit aggressiven Jugendlichen in stationären Einrichtungen und illustriert die Möglichkeiten systematischer Verhaltenstrainings im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Steinke versucht eine Organisationsanalyse des Heimbereiches und illustriert die Sachzwänge und institutionellen Schranken, die einem systematischen Abbau von Verhaltensstörungen in diesem Bereich entgegenstehen. Er zeigt in einer„Meta-Analyse” auf, welche Probleme sich beim Einsatz des„Trainings mit aggressiven Kindern” im Heimbereich ergeben können und wie man sie umgehen kann.
Der abschließende Beitrag von Ulrike Petermann und Birgit Röttgen schildert eine„heimliche” Verhaltensstörung. Diese Autorinnen berichten über sozial unsichere (also schüchterne, kontaktscheue oder sozial ängstliche) Kinder, und in welcher Form man diese Verhaltensstörung abbauen kann. Auch hier wird über ein Verhaltenstraining nur kurz berichtet(vgl. U. Petermann, 1986) und ausführlicher auf den empirischen Effektnachweis eingegangen.
Childhood Disorders—
An introduction in the main topic
By Franz Petermann
In the last years many publications in special education and psychological research considered different forms of childhood disorders and disabilities. An important and typical form is ignored: deficiencies of social behavior(e. g. aggression, shyness, unassertiveness). A great number of 6 to 10 years old children (about 20%, e. g. Thalmann, 1971) produces deficiencies of social behavior. Inadequate behavior is one of the extensive and portentous handicap in childhood and adolescence. The deficiencies of social behavior influence academic achievement, negatively(e. g. Meichenbaum, 1979). In this volume Eisert discusses such interdependences and new results in this field; his systematic review demonstrates the possibilities of Dsychological research for a pedagogical approach. Eisert’s paper deals with childhood aggression.
This volume reports about important, inadequate behavior of 8 and 18 years old children(= aggression).
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