Hans G. Eisert: Sozial-kognitive Intervention bei aggressiven Kindern— Eine Übersicht
Sozial-kognitive Interventionen bei
aggressiven Kindern—
Eine Übersicht
Von Hans G. Eisert
Es wird eine selektive Übersicht zum Hintergrund, den Inhalten und Ergebnissen kognitiv-verhaltenstherapeutischer Inteventionen bei aggressiven Kindern gegeben. Auf Interventionsnotwendigkeit und relative Erfolgslosigkeit traditioneller pädagogisch-therapeutischer Interventionen wird verwiesen. Sozial-kognitive Interventionen erweitern das verhaltenstherapeutische Repertoire, indem sie die Bedeutung kognitiver Prozesse betonen, ohne soziale und emotionale Faktoren zu vernachlässigen. Dem Kind werden ProblemlösungsFertigkeiten vermittelt, mit deren Hilfe es sein Verhalten in kritischen Situationen besser steuern kann. Diskutiert wird, ob es den Kindern(generell) an diesen kognitiven Fertigkeiten fehlt, die bei den Interventionen geübt werden. Die sozial-kognitiven Programme berücksichtigen im allgemeinen noch nicht hinlänglich individuelle Variablen wie die kognitive Entwicklung. Mit den inhaltlich komplexen, die Sozialökologie des Kindes(Eltern, Lehrer) einbeziehenden Programmen stehen jedoch Interventionsmöglichkeiten zur Verfügung. Durch kontrollierte Anwendung in der Praxis sollten sie weiterentwickelt werden.
A selective review of cognitive-behavioral training with aggressive children is given. With its stress on cognitive processes social-cognitive training enlarges the behavior modification repertoire without negating the importance of social and emotional variables. The child is taught problem solving skills which should enable him to better negotiate critical social situations in the future. It is discussed whether aggressive children(always) lack the cognitive skills to be trained. In general, socialcognitive programms do not yet sufficiently consider subject variables, like cognitive developmental level. Nevertheless, the complex multi-element programs, often combining the intervention with the child with parent training and teacher consultation, should be used more often in applied settings. Controlled application should foster the development of these badly needed intervention programs for aggressive children.
1. Aggression— Bedeutung und einige behandlungsrelvante Differenzierungen
Aggressivität ist ein unscharfer Begriff; warum wird sonst der Begrifsklärung in einschlägigen Veröffentlichungen(z. B. Brain& Benton 1981) so viel Platz eingeräumt? Was mit„aggressiv” bei Kindern verknüpft und oft für behandlungsbedürftig erachtet wird, spiegeln ElternLehrer-Ratings(s. Quay 1985) und Listen wider, wie man sie eingangs in Behandlungsmanualen(z. B. Walker et al.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986
1978) findet. Zu den Zuschreibungen, die diese Kinder von anderen abheben sollen, zählen das Zerstören eigenen und anderer Hab und Gut, körperliche Attacken, das Drohen damit, Wutanfälle, das Unter-Druck-Setzen anderer, v. a. mangelnde Folgsamkeit: das Nichtbeachten von Aufforderungen und Regeln,— Etikettierungen von Verhalten, das sich— sieht man von den extremen körperlichen Auseinandersetzungen mit Verletzungsfolgen ab— gelegentlich auch bei nicht für aggressiv erachteten Kindern findet, nur eben nicht in dem
Ausmaß, nicht mehr in dem Alter und nicht so unabhängig von der sozialen Umgebung(Murray& Whittenberger 1983). Einige Differenzierungen sind geeignet, dem„Omnibus-Etikett Aggression”(Bandura 1973, 11) grobe Konturen zu geben. Unter dem Interventionsgesichtspunkt wichtige Untergliederungen von Aggressivität sind die Unterscheidung von verbaler und körperlicher Aggression und Feindseligkeit,„unsozialisierter” und„sozialisierter” Aggression,„offener” und„verdeckter” Aggression, sowie die nach dem Grad der
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