Hans G. Eisert: Sozial-kognitive Intervention bei aggressiven Kindern— Eine Übersicht
und bestimmter Auffälligkeit gegeben ist(vgl. auch Frankel& Simmons 1985). Für die Interventionen wäre es erst einmal wichtig, die spezifischen Defizite zu identifizieren, um ihnen dann im Progamm einen besonderen Stellenwert einzuräumen(zu den Ansätzen dazu s. Kendall et al. 1981). Nachdrücklich verweisen diese uneinheitlichen Ergebnisse auch darauf, daß es unangemessen wäre, dem Kind, das sich aggressiv verhält, mit einem vorgefertigten Progamm zu kommen, ohne daß zuvor der Versuch unternommen wird, den Bedingungszusammenhang aggressiven Verhaltens und dessen Zusammenhang mit anderen Verhaltensweisen, vor allem die Frage, ob dem Kind diese kognitiven Fertigkeiten abgehen oder ob es zwar darüber verfügt, sie aber nicht einsetzt, abzuklären.
4. Inhalte sozial-kognitiver Interventionen
Sozial-kognitive Fertigkeiten— das ist ein Passepartoutbegriff. Was in die sozial-kognitiven Interventionen u.a. eingeht: das Kind erhält direkte verbale Instruktionen. Es lernt am Modell. Für erwünschtes Verhalten wird es materiell oder sozial verstärkt. Zuvor als negativ definiertes Verhalten wird mit Verstärkerentzug bestraft. Im Rollenspiel werden Verhaltenssequenzen eingeübt. Das Kind lernt in handlungsanleitender Weise zu sich selbst zu sprechen. Gruppendiskussionen und Widerspiegeln des eigenen Verhaltens kommen oft hinzu. Weitgehende Überschneidungen ergeben sich mit Übungsprogrammen, die soziale Fertigkeiten(Social skills training) einüben, nicht nur der begrifflichen Unschärfe wegen(Hops 1983; Ladd& Mize 1983). Social Skills Training liegt aus verhaltenstherapeutischer Perspektive die Annahme zugrunde, daß sozialkompetentes Verhalten spezifische Fertigkeiten voraussetzt. Defizite bzw. ein„falsches” Verhaltensrepertoire wird ursächlich für interpersonelle Probleme erachtet(Bellack& Hersen 1979; Hops 1983; McFall 1982). In den Social
Skills Trainings spielt Verstärkung, Lernen am Modell, direktes Einüben und Feedback eine wesentliche Rolle. Ein gutes Beispiel für ein Training sozialer Kompetenz(bei sozial unsicheren Kindern) liefert das Programm von Petermann(1983). Zu einer differenzierteren Diskussion über Elemente und Modellvorstellungen zum Social Skills Training wird auf Ladd& Mize(1983) verwiesen. Eine kritische Übersicht geben Döpfner & Rey(in Vorb.). Bei der praktischen Anwendung der sozialkognitiven Trainings, die alltägliche Probleme und ihre Bewältigung einbeziehen, lassen sich die Komponenten nicht so leicht ausmachen. Sie könnten gelegentlich eher die Erklärungsmuster des Therapeuten widerspiegeln, als die Wirkmechanismen. Jedenfalls: Wenn ein Kind lernen soll, die Perspektive anderer wahrzunehmen, und zu beachten, so geht in das Training auch das AGenerieren alternativer Lösungen ein(Elardo& Cooper 1977). In einem Selbstkontrollprogramm werden auch Gefülle anderer identifiziert; es wird geübt, sich in andere hineinzuversetzen. Nicht zu übersehen ist— bei aller Betonung kognitiver Fertigkeiten— daß Gefühle eine erhebliche Rolle beigemessen wird, etwa wie in adaptativer Weise mit Wut und Ärger umgegangen werden kann(Novaco 1979; Garrison& Stolberg 1983). Vor allem in präventiven Programmen für Kinder im Vorschulalter(z.B. Spivack& Shure 1974) steht das Erkennen der eigenen Gefühle und der von anderen im Vordergrund. Sie zu erkennen und richtig zu benennen, wird für wichtig erachtet. Das Etikettierungslernen solcher Zustände wie glücklich, traurig, verletzt, stolz, wütend, erfolgt etwa mit Hilfe des Rollenspiels, Pantomimen, gegenseitig gemachter Fotografien, Karikaturen und Bildersequenzen. Diese„affektive Erziehung”(Kendall& Braswell 1985) wird als Grundvoraussetzung interpersonellen Problemlösens— schlichter: des angemessenen Miteinander-Umgehens— erachtet. Vor allem Rollenspiele sind darüber hinaus geeignet, emotionale Beteiligung und ein Erregunsniveau zu erzeugen, das am ehesten den im häuslichen
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986
und schulischen Interaktionen entspricht. Realen Situationen wird damit näher gekommen, als dies gemeinhin in der Beziehung Kind-Therapeut möglich ist. Angenommen wird, daß unter erhöhtem affektivem Engagement eingeübte Problemlösungsstrategien die Generalisierung des Erlernten über Ort und Zeit erleichtert wird.
4.1. Selbsinstruktion
Das Selbsinstruktionstraining hat zum Ziel, das Kind zu handlungsanleitendem „inneren” Sprechen anzuhalten, damit es sein Verhalten in problematischen Situationen besser zu steuern vermag, in denen es zuvor zumeist impulsiv, ohne einzuhalten, zu schauen und zuzuhören, spontan seiner ersten— oft falschen, unangemessen— Reaktionstendenz nachgegeben hat. Das Selbstinstruktionstraining bei impulsiven Kindern ist von Meichenbaum(s. Meichenbaum 1979) propagiert worden. In Deutschland hat Wagner(s. Wagner 1976) zuerst eine Reihe von Arbeiten dazu vorgelegt.
Das Kind beobachtet zunächst den Pädagogen-Therapeuten, der sich selbst bei einer zu bewältigenden Aufgabe Instruktionen gibt, laut denkt. Anschließend geht das Kind die Aufgabe an und erhält dabei Instruktionen vom Therapeuten. Dann gibt es sich selbst in einer ihm gemäßen Sprache Anweisungen, zunächst laut, dann flüsternd, schließlich leise, nur noch gedacht. Das allmähliche Ausschleichen der Sprache soll das Kind zu„innerem Sprechen” führen. Inhaltlich folgen die Selbstinstruktionen der Sequenz Problemdefinition(„Was muß ich hier machen?”), Problemvorgehen („Ich muß alle Möglichkeiten angucken und mir überlegen!”), Aufmerksamkeitszentrierung(„Ich darf nur an das denken, was ich gerade mache”), Überprüfen und Selbstverstärken(„Ja, das ist richtig. Gut gemacht.”)— oder bei einem Fehler:„Das war falsch, da muß ich nächstesmal viel besser aufpassen, langsamer vorgehen. Dann schaff ich es auch”. Während die Selbstinstruktion
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