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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Hans G. Eisert: Sozial-kognitive Intervention bei aggressiven Kindern Eine Übersicht

eingangs anhand einfacher Wahrneh­mungs- oder psychomotorischer Aufga­ben geübt wird, wird in der Folge die An­wendung dieser Strategie des Zu-sich­selbst-Sprechens für problematische Si­tuationen, d.h. in solchen, in denen au­tomatisierte Handlungssequenzen nicht hinlangen, in interpersonellen Situatio­nen gelernt. Sind die Instruktionen zu­nächst aufgabenspezifisch, so wird der Schwerpunkt zunehmend auf konzep­tuelle Selbstinstruktion gelegt: auf gene­rell anwendbares, handlungsanleitendes Sprechen. Dem Selbstinstruktionstrai­ning kommt eine zentrale Rolle in zahl­reichen sozial-kognitiven Programmen zu(u. a. Camp; Eisert& Eisert, in Vorb.; im Druck; Petermann& Petermann 1984). Hier finden sich ausführliche Hin­weise über das praktische Vorgehen. Ge­warnt wird allseits vor einer zu mechani­schen Anwendung dieser Techniken. Vom Pädagogen-Therapeuten werden beim Training Enthusiasmus und Enga­gement erwartet.

4.2. Interpersonelle kognitive Problemlösungsfertigkeiten

Zu den wesentlichen interpersonellen kognitiven Problemlösungsfertigkeiten, denen in der Entwicklung zu unter­schiedlichen Zeiten besondere Bedeu­tung zukommt, zählen die Fähigkeit al­ternative Lösungen zu generieren, die Konsequenzen sozialen Handelns zu bedenken, ein Mittel-Zweck-Denken, ein Sozial-kausal-Denken und u. a. Pro­blemsensitivität(Spivack& Shure 1982). Zu einer eingehenden Auseinanderset­zung über den theoretischen Hinter­grund und das Vorgehen wird auf Spi­vack& Shure(1982) verwiesen.

Das Generieren alternativer Lösungen: Hier lernt das Kind, ein Repertoire mög­licher Lösungsideen zu entwickeln. Die Betonung liegt auf dem Hervorbringen einer Vielfalt von problemlösenden Ideen, die möglichst nicht nur einer Ka­tegorie, etwa aggressiven Lösungen, zu­zuordnen sind. Beim Tranining erfolgt jedoch keine Zensur: Der Therapeut tut nicht kund, ob er die vom Kind gegebe­

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ne jeweilige Lösung für gut oder schlecht erachtet. Das Denken in Konsequenzen sozialen Handelns: Was kann passieren, wenn ich das mache? Spivack& Shure (1982, 326) weisen beispielsweise darauf hin, daß auffällige, impulsive Teenager negative Konsequenzen ihrer mit Sank­tionen der Umwelt belegten Akte oft nicht bedenken, auch mögliche positive Konsequenzen eines von anderen ge­schätzten Handelns ihrerseits nicht zu antizipieren vermögen. Vierjährige im Kindergarten, die etwa anderen Kindern ständig das Spielzeug wegnehmen, se­hen auch nach erfolgreicher Interven­tion das Zugreifen als eine mögliche Lö­sung, aber es gibt eben noch andere Lö­sungen, die letztlich eine höhere Rendi­te haben. Mittel-Zweck- bzw. Ziel-Den­ken: Ich muß eine Sequenz durchden­ken, eine Folge von Schritten, die mich zu eine bestimmten Problemlösung füh­ren können. Mittel-Zweck-Denken hängt offenbar eng zusamen mit der Fertigkeit, sich in andere hineinzuver­setzen und deren Perspektive einigerma­ßen richtig einschätzen zu können. Ab 10 Jahren kommt einem Denken in Mit­tel-Zweck-Kategorien Bedeutung für die soziale Integration zu. Zahlreich sind die Befunde, die belegen, daß auf verschie­denste Weise Auffällige darüber nur in unvollkommenem Maße verfügen(Spi­vack& Shure 1982, 328). Sozial-kausales Denken ist eine weitere Fertigkeit. War beim Denken an Konsequenzen sozia­len Handelns das Individuum darauf aus, mögliche Konsequenzen vorwegzu­nehmen, so ist hierbei das Augenmerk auf(mögliche) vorhergehende Ursachen gerichtet. Beide Fertigkeiten haben et­was mit zeitlich-sequentiellem Denken zu tun. Spivack& Shure(1982) heben noch die Problemsensitivität hervor: Auf welche Probleme reagiere ich? Ge­meint ist die Bereitschaft, Hinweise auf interpersonelle Probleme aufzunehmen solche, in denen es zu Reibungen zwi­schen verschiedenen Personen kommen könnte. Dazu gehört auch, Ziele, Ab­sichten anderer in etwa zu erkennen, Si­tuationen zu verstehen, in denen sie mit anderen in Konflikt geraten können. Problemsensitivität setzt ein Repertoire

von Vorstellungen voraus, was in per­sönlichen Beziehungen mißlingen kann (Spivack& Shure 1982, 330). Als eine weitere kognitive Fertigkeit nennen Spi­vack& Shure(1982) eine dynamische Orientierung: die Fähigkeit, menschli­ches Verhalten und seine Auswirkungen von Erfahrungen und Motiven der Han­delnden zu erleben. Spivack& Shure (1982) geben eine Übersicht über Trai­ningsprogramme dieser kognitiven Fer­tigkeiten für die verschiedenen Altersbe­reiche.

5. Ein Beispiel für ein sozial­kognitives Training

Des programmatischen Charakters we­gen sei hier dasDenk laut nach-Pro­gamm von Camp(Camp 1980; Camp& Bash 1981; Camp& Ray 1984; Camp et al. 1977) als Beispiel für ein sozial-kogni­tives Training angeführt. Es hebt sich heraus, weil es zum einen auf eigenen Untersuchungen zur Bedeutungver­mittelnder verbaler Fertigkeiten für das Verhalten beruht(u.a. Camp et al. 1977). Zum anderen ist es gekennzeich­net durch ein anhaltendes Bemühen, mit Hilfe von Evaluation die Wirksam­keit des Programms zu belegen und es zu verbessern. Das Trainingspro­gramm amalgamiert Selbstinstruktion und interpersonelle Problemlösung. Beim Problemlösungstraining lehnt es sich dabei eng an Spivack& Shure(1974; vgl. 1982) an, geht aber darüber hinaus, wenn etwa mögliche Handlungskonse­quenzen im Training besonders hervor­gehoben und wenn normative Vorgaben gemacht werden: mögliche Handlungen nachgut oderschlecht zu beurteilen sind.

Das alspsychopädagogisches Trai­ning, vor allem für Grundschüler, konzi­pierte Programm kann ganz der damit auch verfolgten präventiven Absicht ent­sprechend von Lehrern durchgeführt werden. Das Manual(Camp& Bash 1981) gibt inhaltliche Vorgaben(spezifi­sche Materialien, Dialoge usw.) für etwa 40 Stunden(eine Übersicht mit ausführ­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986