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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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gressiver Kinder gerecht wird, dazu ha­ben wir eingangs widersprüchliche Er­gebnisse angeführt.

Ob kognitive Fertigkeiten wie das Den­ken in Alternativen für das Sozialverhal­ten die Bedeutung hat, die ihnen in den sozial-kognitiven Programmen zumeist zugeschrieben wird, ist bestritten wor­den. So hat Langer(1981) darauf verwie­sen, daß Sozialverhalten wenigerkogni­tiv als vielmehr durch(überlernte) Ver­haltensroutinen(soziale Skripte) be­stimmt sei. Wie überhaupt Kinder mit Situationen, die überlegtes Denken und Abwägen erfordern, etwa weil sie neu sind, eher selten konfrontiert seien (Krasnor& Rubin 1981). Fragestellungen wie die, ob sozial-kogni­tive Interventionen sich als klinisch nützlich erwiesen haben(Hobbs et al. 1981) führen leicht zu pauschalierenden Aussagen, deren Wert, über eine erste Orientierung hinaus, dahinsteht: zu he­terogen sind die behandelten aggressi­ven Kinder hinsichtlich sozialer Auffäl­ligkeit, Alter und kognitiver Entwick­lung. Sind einige Programme eindeutig primär präventiv orientiert im Ideal ge­hen sie in den Unterricht ein, sie sollen nicht nur aggressiven Kindern zugute kommen(z. B. Spivack& Shure 1974) so haben andere kinderpsychiatrische Patienten zur Zielgruppe.

Die widersprüchlichen Ergebnisse dürf­ten zu einem Gutteil auch die unter­schiedlichen Voraussetzungen und Be­dürfnisse bestimmter, zum Teil bisher

Literatur

Hans G. Eisert: Sozial-kognitive Intervention bei aggressiven Kindern Eine Übersicht

nicht einmal identifizierter Gruppen ag­gressiver Kinder widerspiegeln. Gar zu leicht wird das hat auch Kendall(1985) angemerkt hier einemUniformitäts­mythos(Kiesler 1966) aufgesessen, so, als ob es den Kindern einer diagnosti­schen Kategorie an etwas ganz Be­stimmtem fehle allen Kindern glei­chermaßen, in den gleichen Situationen. Nun zeichnen sich die Programme durchaus durch Vielfalt der Materialien und Vorgehensweisen aus. Bei aller em­pirischen Orientierung sind diejenigen, die diese Programme entwickeln, dabei jedoch auf Intuition und eigene Erfah­rung angewiesen, ermangelt es doch der Modelle, die in angemessener Weise die kognitiven Prozesse und Fähigkeiten für die Aufgaben- und Situationsbewälti­gung berücksichtigen. Nur oberflächlich, eher metaphorisch, ist bisher die Ent­wicklungs- und Kognitionspsychologie genutzt. Sie erweist sich auch als zu sper­rig, um gleich ihre praktische Relevanz zu offenbaren. Überraschend wenig For­schung liegt dazu vor, wie Kinder in All­tagssituationen denken(Urbain& Ken­dall 1980). Zu sehr ist Entwicklungspsy­chopathologie selbst noch ein sich gera­de erst entwickelnder Organismus(vgl. Sroufe& Rutter 1984). Hinweise auf die Bedeutsamkeit individueller Variablen werden gegeben(Copeland 1980), die Wichtigkeit des kognitiven Niveaus z. B. für das Selbstinstruktionstraining her­ausgestellt(Cohen et al. 1981).

Der Pädagoge-Therapeut seinerseits,

der sich dieser Programme bedient, ist gar zu oft gleichermaßen über Gebühr auf seine Erfahrung und Intuition ver­wiesen, wenn es um die diagnostische Einschätzung des Kindes geht. Die spe­zifische Förderdiagnostik für diese Pro­gramme, die das kognitive Niveau diffe­renziert erfaßt, ist im allgemeinen noch unzulänglich(s. Kendall et al. 1981; Krasnor& Rubin 1981), wenn auch die meisten Programme, so Petermann& Petermann(1984) durchaus Instrumen­te vorschlagen, mit deren Hilfe Ein­gangsstatus, Behandlungsverlauf und Erfolg der Intervention eingeschätzt werden können. Und es wird auch, je­weils für das einzelne Kind, zu belegen versucht, welche Auswirkungen die In­tervention in der Sozialökologie des Kin­des hat.

Mit den Ssozial-kognitiven Interven­tionsprogrammen für aggressive Kinder verfügen wir über eine noch grobe Tech­nologie, die sich bei einem Gutteil der Kinder als zumindest kurzfristig wirk­sam erweist. Die Möglichkeiten zu nut­zen, die sich mit den sozial-kognitiven Interventionen in Schule, Erziehungsbe­ratung und Klinik bieten, ist angesichts der prognostischen Implikationen kind­licher Aggressivität geboten. Die kon­trollierte Anwendung dieser Programme sollte zu ihrer Entwicklung und Diffe­renzierung beitragen.

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