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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Jürgen Drescher: Elternberatung bei aggressivem Kindverhalten

sondere dann sinnvoll, wenn die Eltern bei der Beschreibung des Problemver­haltens Schwierigkeiten haben. Der In­terviewer kann dann die EAS-Antwor­ten der Eltern als Ausgangspunkt für ge­zielte Fragen nutzen.

Der BAV(s.o.) eignet sich ebenfalls zum Einsatz in der Elternarbeit: Die Eltern können im Erstkontakt und u. U. auch trainingsbegleitend regelmäßig anhand ausgewählter Kategorien die Auftretens­häufigkeit aggressiver bzw. sozial kom­petenter Verhaltensweisen ihres Kindes einschätzen.

3.3. Diagnostik zur Kontrolle des Therapie-/Beratungsver­laufs

Der Erfolg einer Intervention kann nur anhand der systematischen Erfassung auftretender Veränderungen überprüft werden. Eine ausführliche Darstellung von Möglichkeiten, klinisch-psychologi­sches Handeln auf ökonomische Weise auch mit statistischen Methoden zu kon­trollieren, findet sich bei Petermann (1982).

Bei der Therapie aggressiven Kindver­haltens mit begleitender Elternarbeit bieten sich folgende Verlaufskontrollen an: Systematische Verhaltensbeobach­tung des Kindverhaltens und des Inter­aktionsverhaltens der Familienmitglie­der, Familienberichte und Selbstein­schätzungen, Probeagieren in Gedanken und Rollenspielen(vgl. Petermann, 1983).

Der BAV(s. 3.1.) ist ein änderungssensi­tives Diagnoseinstrument, mit dem das kindliche Verhalten fortlaufend einge­schätzt werden kann. Ein Anwendungs­beispiel findet sich in Abschnitt 6. Wich­tige Dimensionen des Interaktionsge­schehens in der Familie sollten vom Therapeuten ebenfalls regelmäßig an­hand eines Kategoriensystems beurteilt werden. Während der Hausbesuche an­gefertigte Tonband-Aufzeichnungen, an die sich die Beteiligten erfahrungsgemäß rasch gewöhnen, erleichtern die syste­matische Verhaltensbeobachtung. Di­rekte Informationen der Betroffenen

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geben ebenfalls wichtige Aufschlüsse über Verhaltensänderungen. So können die Eltern, ab einem bestimmten Alter der Kinder auch gemeinsam mit ihnen, täglich einen Familienbericht anferti­gen, in dem mittels Beantwortung mög­lichst offen formulierter Fragen das Geschehen in der Familie aufgezeichnet wird. Das aggressive oder sozial kompe­tente Verhalten ihres Kindes können die Eltern anhand ausgewählter Kategorien des BAV einschätzen. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist die Einübung der systematischen Verhaltensbeobachtung mit den Eltern. Man sollte jedoch unbe­dingt vermeiden, die Familie mit der An­fertigung von Aufzeichnungen zu über­fordern und daher möglichst zeitsparen­de Verfahren einsetzen.

Schließlich weden Verhaltensänderun­gen auch erkennbar, wenn man die El­tern oder die Familie während der Bera­tungssitzungen immer wieder auffor­dert, sich kritische Situationen vorzustel­len, die durch Reflexion oder Rollenspiel bewältigt werden sollen.

4. Rahmenbedingungen der Elternberatung

4.1. Das therapeutische Setting

In der verhaltenstherapeutischen Arbeit

mit Familien hat sich das Prinzip der

Zweigleisigkeit bewährt(vgl. Abschnitt

2). Dies bedeutet, Interventionen beim

Problemkind und Elternberatung sepa­

rat, zeitlich und inhaltlich jedoch koordi­

niert durchzuführen. Petermann& Pe­termann(1984) führen hierfür folgende

Argumente an:

Eine nach den EbenenEltern und Kind getrennte Problemanalyse er­bringt umfassende und differenzier­te Informationen über vorliegende Störungen.

Die Zweigleisigkeit ermöglicht die Konzeption und Realisierung spezi­fischer Hilfen für Eltern und Kinder.

Der gezielte Abbau kindlicher Ver­haltensstörungen verkürzt und öko­nomisiert die Interventionen.

Mit den Angehörigen können neue Verhaltensweisen aufgebaut wer­den, die auch präventive Funktion haben.

Die Zweigleisigkeit gestattet es, Ver­änderungen des Kindes und die der Familie getrennt zu erfassen.

Nur in bestimmten, inhaltlich genau um­

schriebenen Sitzungen wird es sinnvoll

sein, auch das Problemkind bzw. die ge­samte Familie zu beteiligen.

Adesso& Lipson(1981) fanden empiri­

sche Belege dafür, daß Elterntrainings

dann besonders erfolgreich sind, wenn beide Eltern teilnehmen. Für eine Ein­beziehung beider Eltern spricht unserer

Meinung nach, daß

durch sich ergänzende und wider­sprechende Informationen der El­tern ein vollständiges Bild der kindli­chen Verhaltensstörung und der fa­miliären Situation entsteht;

in der Regel beide Eltern am Bedin­gungsgefüge der kindlichen Verhal­tensstörung Anteil haben und in der Beratung direkt angesprochen wer­den können;

auch Partnerkonflikte in die Bera­tung einbezogen werden können;

die Eltern durch gegenseitiges Feed­back und Verstärkung eher Verhal­tensänderungen realisieren;

das Verhalten der Eltern sich gleich­sinnig entwickelt und nicht ein Part­ner in die Expertenrolle gerät;

die Verantwortung auf beide Eltern verteilt ist und einseitige Belastung vermieden wird.

Wesentliche Vorteile bringt die Durch­

führung der Elternberatung in Form von

Hausbesuchen:

Hausbesuche erhöhen die Wahr­scheinlichkeit, daß beide Eltern bzw. alle Familienmitglieder an den Sit­zungen teilnehmen.

Eltern brechen seltener die Beratung ab. Petermann& Petermann(1984) berichten von einer Abbrecherquote in Höhe von 10%.

DerHeimvorteil läßt den Eltern die Situation weniger bedrohlich er­scheinen und führt zu größerer Of­fenheit.

Der Berater kann in der häuslichen

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986