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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Jürgen Drescher: Elternberatung bei aggressivem Kindverhalten

Information

Nach Abschluß der Verhaltensanalyse und der übrigen diagnostischen Maß­nahmen sollten den Eltern die Ergebnis­se in verständlicher Form mitgeteilt wer­den. Hilfreich ist hier eine schriftliche Darstellung der wichtigsten auslösenden und aufrechterhaltenden Bedingungen des aggressiven Kindverhaltens und der Interventionsmöglichkeiten. Anhand dieser Ausarbeitung legen Berater und Eltern gemeinsam die Interventionszie­le fest.

In der Elternberatung haben schriftliche Unterlagen die Funktion, Inhalte auch unabhängig vom Berater zugänglich zu machen und präsent zu halten. Aller­dings ist es erfahrungsgemäß notwendig, die Eltern wiederholt zur Benutzung dieser Unterlagen anzuhalten. Die Nütz­lichkeit schriftlicher Information und In­struktion konnte durch Untersuchungen belegt werden(Nay, 1975). Risley et al. (1976) gingen so weit, Selbsthilfe-Ma­nuale(Family Advice System) zu er­stellen, die Ratschläge für den Umgang mit kritischen Erziehungssituationen enthalten(Perrez et al., 1985).

Im Verlauf der Beratung sollte den El­tern regelmäßig Rückmeldung über Ver­haltensänderungen oder noch vorhan­dene Defizite gegeben werden, die sich beim Kind zeigen(Tonband-Aufzeich­nungen vom Kindertraining vorstellen und diskutieren) bzw. die in der Eltern­beratung offenkundig werden(direktes Feedback, Tonband-Aufzeichnungen; vgl. Peterander(1985), Petermann& Pe­termann(1984).

Verhaltensbeobachtung

Der erste Schritt zu Verhaltensänderun­gen ist die systematische Verhaltensbe­obachtung und das Erkennen von Ver­haltenszusammenhängen. Beobach­tungsübungen können mit den Eltern gemeinsam durchgeführt werden, z.B. indem man ein Rollenspiel mit einer Beobachtungsaufgabe für die Zuschauer verknüpft. Später können die Eltern selbständig anhand ausgewählter Kate­

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gorien des BAV(s. Abschnitt 3.1.) in einer Reihe festgelegter Situationen das aggressive bzw. sozial kompetente Ver­halten ihres Kindes in seiner Auftretens­häufigkeit einschätzen.

Verschiedene Elterntrainings-Program­me sehen die Erstellung von Verhaltens­analysen durch die Eltern vor. In den meisten Beratungsfällen dürfte dies je­doch zu aufwendig und zu schwierig sein.

Lernvorgänge und-prinzipien

Indem man die Eltern über Lernvorgän­ge und diesen zugrunde liegenden Prin­zipien informiert, die beim Erwerb und bei der Aufrechterhaltung von Sozial­verhalten wirksam sind, versetzt man sie in die Lage, sozial-kompetentes Verhal­ten ihres Kindes gezielt zu verstärken und aggressives Verhalten durch Igno­rieren und sinnvolle Formen der Bestra­fung abzubauen. Unangemessen sind al­le Bestrafungsformen, die nicht mit der Möglichkeit verknüpft sind, positive Verhaltensalternativen zu lernen. Peter­mann& Petermann(1984) nennen fol­gende Wirkungen unangemessener Be­strafung:

Strafen verhindern das Erlernen neuen Verhaltens.

Bestrafung führt zu Flucht und Ver­meidung.

Strafe kann Angst und Unsicherheit auslösen.

Bestrafung kann aggressive Reaktio­nen auslösen.

Bestrafung ist aggressives Modell­verhalten.

Aggressives Modellverhalten wird mit hoher Wahrscheinlichkeit in ähnlichen Situationen nachgeahmt.

Nach Patterson et al.(1982) sind Time­

out, Response-cost, Verlust von Privile­

gien und Wiedergutmachungsleistun­gen sinnvolle Bestrafungsformen. Pat­terson& Hautzinger(1983) weisen dar­auf hin, daß ohne den Einsatz von Be­strafung der Abbau aggressiven Verhal­tens nicht gelingen kann. Diese auf For­schungsergebnissen beruhende Feststel­lung ist umso bemerkenswerter, als in

vielen Elterntrainings-Programmen zum Verzicht auf Strafe aufgefordert wird. Einen Überblick über Möglichkei­ten und Effizienz verschiedener Formen der Aggressionskontrolle vor allem auf­grund experimenteller Forschungen gibt Zumkley(1983).

Peterander(1985) gibt zum Thema Lernprinzipien allerdings zu beden­ken, daß verhaltensmodifikatorische Strategien, die sich auf die unspezifische Anwendung allgemeiner Lernprinzipien beschränken, den Erfordernissen des Einzelfalls nicht gerecht werden. Sie müssen jeweils auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und durch andere Maßnah­men ergänzt werden, die die interaktio­nalen Fertigkeiten der Klienten fördern.

Konfliktlösungsstrategien

Die Einübung von Konfliktlösungsstra­

tegien in der Familie(Familienrat, Pe­

termann& Petermann, 1984) zielt darauf ab

Kommunikationsregeln transparent und verbindlich zu machen,

die Familienmitglieder zu gleichbe­rechtigten Partnern bei der gemein­samen Konfliktlösung zu machen,

für alle Beteiligten akzeptable Lö­sungen zu finden.

Rollenspiele mit ausführlichem Feed­

back sind das adäquate Medium zur For­

mung kommunikativer Fertigkeiten.

Oltmanns et al.(1977) konnten zeigen,

daß insbesondere bei schweren kindli­

chen Verhaltensstörungen gleichzeitig sehr häufig gravierende Eheprobleme der Eltern vorlagen. Wenn ihre Konflik­te in Gegenwart oder gar unter Beteili­gung der Kinder austragen, zeigen sie ag­gressives Modellverhalten. In vielen Fäl­

len wird es daher erforderlich sein, im

Rahmen der Elternberatung auch Part­

nerkonflikte der Eltern zu bearbeiten.

Erziehungsziele

Widersprüchliche oder dem Entwick­lungsstand des Kindes nicht angemesse­ne Erziehungsziele sind Faktoren, die

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986