Jürgen Junglas: Training zum Abbau aggressiven Verhaltens bei Patienten einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik
muß das Geschehen genau und präzise aufnehmen. Konzentration, Motivation sowie die Reizbedingungen bestimmen den Grad der Aufmerksamkeit. Aggressives Verhalten hat einen hohen Aufmerksamkeitswert. Bandura(1979) betont, daß aggressive Kinder ohne Aufmerksamkeitsschulung ihr Verhalten nicht ändern können.
2. Gedächtnis(Speicherung): Das wahrgenommene Verhalten muß gespeichert werden, damit es später ausgeübt werden kann. Die verbale oder bildhafte Kodierung des Verhaltens kann zu einer Verzerrung späterer, ähnlicher Wahrnehmung führen, wenn sie zu stark generalisiert. Erregende Ereignisse werden bevorzugt wahrgenommen und behalten.
3. Motorische Reproduktion: Bei motorisch komplexem Verhalten müssen die notwendigen Teilreaktionen auf motorischer Ebene verfügbar sein, um eine einwandfreie Reproduktion zu gewährleisten.
4. Motivation und Verstärkung: Erworbene Verhaltensmuster werden nicht ausgeführt, wenn mit negativen Konsequenzen gerechnet wird. Nach Bandura wird das Verhalten durch das Wirken folgender Verstärker ausgeführt: a) direkte äußere Verstärkung, b) stellvertretende Verstärkung(des Modells) und c) Selbstverstärkung.
Störungen des sozialen Lernens entste
hen vor allem bei inkonsistentem, feind
seligem oder antisozialem Erzieherverhalten.
Kinder und Jugendliche haben nicht nur
gesellschaftlich akzeptierte Vorbilder.
Derjenige, der unter seinen Bezugsper
sonen keine sozial erfolgreichen Model
le vorfindet, muß auf wesentliche Möglichkeiten und Anregungen in seiner sozialen Integration verzichten. Hat er zusätzlich in seiner unmittelbaren Umgebung(Familie, Wohngebiet, Gleichaltrigengruppe) Modelle abweichenden
Sozialverhaltens, dann steigt die Chance
eigenen auffälligen Verhaltens erheblich
an(Hartmann 1970).
3. Quellen aggressiven Verhaltens
Allgemein wird die Entstehung aggressiven Verhaltens in erster Linie durch familiäre Einflüsse erklärt. Die Untersuchungen von Glueck& Glueck(1950) und McCord& McCord(1959) identifizierten als Dissozialität fördernde Faktoren: niedrigen sozioökonomischen Status, feindseliges emotionales Klima, fehlende Anerkennung, unberechenbar strafenden Erziehungsstil, häufigen Bezugspersonenwechsel oder negativ auffällige Vorbilder. Silver, Dublin& Lourie(1969) belegen in ihrer Untersuchung den traurigen Teufelskreis der über Generationen tradierten Kindesmißhandlung. Ähnliches belegt Hoffmann(1960) für die aggressiven Umgangsformen von Kindern, deren Mütter tyrannisch die Befolgung ihrer Forderungen erzwangen.
Bandura& Walters(1959) differenzierten für intelligente Jungen von intakten Mittelschichtelternhäusern als aggressionsfördernd die elterliche Sanktionierung von körperlichen Aggressionen als Mittel der Auseinandersetzung mit Dritten außerhalb der Familie.
Um eher subtile, wenn auch sehr wirksame Einflüsse handelt es sich, wenn Eltern Vergehen übersehen, als unwichtig ansehen oder entschuldigen, auf ausführliche Berichte der Taten mit vorgetäuschten Sorgen reagieren, sie aber insgeheim genießen(Bandura 1979). Patterson und seine Mitarbeiter fanden in Familien mit aggressiven Kindern durch eine Längsschnittstudie folgende Faktoren:
1. In der Familie wurden Regeln nicht ausgesprochen und nicht befolgt;
2. Die Eltern wußten nicht, was ihre Kinder tun;
3. Die Eltern verstärkten nicht, bzw. nicht konsequent;
4. Probleme konnten nicht innerhalb der Familie dargestellt und gelöst werden (ausgeführt nach Petermann& Petermann 1984).
Neben der Familie führt Bandura(1979) als weitere Hauptquellen aggressiven Verhaltens die Subkultur, in der eine
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986
Person lebt, und symbolische Modellierungsprozesse durch die Massenmedien an. Man kann nach Bandura(1979) die Äußerung eines aggressiven Verhaltens mit größerer Genauigkeit dann vorhersagen, wenn man den sozialen Kontext, die Zielpersonen, die Rolle, die die ausführende Peson einnimmt und andere Hinweisreize, die potentielle Konsequenzen für aggressives Verhalten verläßlich ankündigen, kennt, als wenn man die Persönlichkeit der handelnden Person einschätzt. Nach Petermann& Petermann(1984) gelten folgende Bedingungen für das Auftreten von Aggressionen als gut erforscht: Frustration, Anonymität, Anwesenheit von Personen (Außenseiter), Befehle und Anordnungen, aggressionsauslösende Hinweisreize und aggressive Vorbilder in Massenmedien. Bandura(1979) formuliert, daß Menschen andere Menschen angreifen, die sie abzulehnen gelernt haben, die sie relativ unbehelligt angreifen können und bei denen es vorteilhaft ist, wenn man sie angreift.
Schwierigkeiten in der differenzierten Wahrnehmung sozialer Reize sind zentral für das Entstehen aggressiven Verhaltens. Aggressive Kinder nehmen auch eher Handlungsweisen anderer, welche die bedeutsamste Determinante für die eigene Reaktion darstellt(Raush 1965), als aggressiv wahr. Z.B. werden schnelle Bewegungen eher als Angriff als freundschaftliches Auf-Sie-Zugehen bewertet(Dodge& Newman 1981, Dodge 1980). So entsteht oft bei aggressiven Kindern das subjektive Gefühl des Angegriffen-Seins(Dodge 1980), das auch wegen der Defizite in der Blickkontaktfähigkeit(Rutter& O’Brien 1980) nicht leicht korrigiert werden kann. Bekannterweise unterstellt eine Person gerne ihr eigenes Verhalten ihrer Umwelt und beobachtet das, was sie erwartet, häufiger als es wirklich vorkommt(Homes 1968, Petermann& Petermann 1984). Selbstsicheres Verhalten macht aggressives Verhalten unnötig und hat in der Regel einen höheren Belohnungswert. Selbstsicherheit fehlt oft gerade Jugendlichen, was von ihnen meist als schmerzliches Defizit erlebt wird.
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