Jürgen Junglas: Training zum Abbau aggressiven Verhaltens bei Patienten einer Kinder- und Jugendpsychiatrischen Klinik
während des Rollenspiels und Gruppenkritik mit Kritik durch Leiter und Co-Therapeutin(evtl. anhand von Video-Aufzeichnungen).
9. Vorspielen der Modell-Video-Szene ohne Ton und Besprechung der Bedeutung der nonverbalen Kommunikation.
10. Erneutes Vorspielen der Modellszene und Benennen lassen von allgemeinen„Regeln”, die in ähnlichen Situationen zu beachten sind.(Wie erreicht man was?).
Die Trainingssitzungen dauerten durchschnittlich 90 min, wobei nach der Hälfte der Zeit eine kurze Teepause eingelegt wurde. Die insgesamt acht Sitzungen wurden innerhalb von drei Monaten in regelmäßigen Abständen durchgeführt. Als(Video-)Modelle fungierten zwei männliche Pfleger von einer Nachbarstation im Alter von 20 und 26 Jahren, sowie der Trainingsleiter(34 Jahre). Zu Beginn einer jeden Therapiestunde waren die Jugendlichen in aller Regel erheblich angespannt, was sich durch starke motorische Unruhe(Stuhlschaukeln, Aufstehen, ständigem Dazwischenreden) zeigte. Dies verhinderte den Aufbau einer hinreichenden Aufmerksamkeitsanspannung und Konzentration über die Dauer der Therapiesitzungen. Um die dadurch bedingten Behinderungen des Lernens und kognitiver Umstrukturierung abzubauen, wurden vor den Sitzungen(in der zweiten Gruppe) jeweils autogene Entspannungsübungen durchgeführt, wodurch die Probanden in einen entspannten und eher aufnahmebereiten Zustand kamen. Die Instruktionen wurden nach dem Vorschlag von Petermann& Petermann(1984) in eine Kapitän-Nemo-Geschichte eingebettet, die auch von den älteren Probanden gut aufgenommen wurde. Das Verfahren wurde vor Beginn des Trainings in Einzelsitzungen mit den Jugendlichen erläutert und geübt.
In Anlehnung an die referierten Rollen
trainings wurden für das Training solche
Spielszenen ausgewählt, die der alltägli
chen Erfahrung der trainierten Jugendli
chen nahestanden und typische Kon
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986
fliktsituationen widergaben. Hinweise
aus der Biographie und den Verhaltens
beobachtungen während des stationären
Aufenthalts waren dabei hilfreich. Die
Dialoge wurden dem alterstypischen
Sprachgebrauch angeglichen.
Folgende acht Szenen wurden in der
aufgeführten Reihenfolge in beiden
Gruppen durchgeführt:
1. Aufforderung zur Schlägerei, nach
„Sitzungskonzept 12 Herausforderung” in Steller et al.(1978). Ein Jugendlicher nimmt einem anderen den Sitzplatz weg, als dieser kurz weggeht und droht diesem Schläge an, als dieser auf seinem Platzrecht besteht.
2. Verführungsabwehr— Fahrradklau,
nach„TE 9 Verführungsabwehr” in Pielmaier(1980). Zwei Jugendliche finden zwei unabgeschlossene Fahrräder an einer unübersichtlichen Stelle. Der eine Jugendliche versucht den anderen zum gemeinschaftlichen Fahrraddiebstahl zu verführen.
3. Sinnvolle Freizeitgestaltung, nach
„TE 8 Sinnvolle Freizeitbeschäftigung” in Pielmaier(1980). Ein Jugendlicher sieht fern. und wird von seinem Freund aufgefordert, stattdessen mit ihm ein Tandem zusammenzubasteln. Im zweiten Teil der Szene stellen die beiden das gemeinsame Basteln dar.
4. Vermeidung unnötiger Konflikte,
nach„TE 17 Vermeidung unnötiger Konflikte” in Pielmaier(1980). Ein Jugendlicher hat von einem Betreuer eine Strafe auferlegt bekommen, die er nicht akzeptiert und wofür er sich mit dem zweiten Jugendlichen zusammen, an dem Betreuer rächen will. Der zweite Jugendliche bringt ihn von dem Vorhaben ab und schläg Alternativen vor.
5. Zimmer aufräumen, nach„TE 16 Zimmer aufräumen” in Pielmaier (1980).
Ein Jugendlicher wird von seinem Stiefvater barsch aufgefordert, sein Zimmer aufzuräumen, obwohl dieser gerade mit seinem Freund Fußball spielen gehen will. Der Jugendli
che gehorcht und wird dafür von seinem Freund kritisiert. Er muß seinen Standpunkt verteidigen.
6. Verdächtigung, nach Sitzungskon
zept 15 in Steller et al.(1978). Ein Jugendlicher, von dem bekannt ist, daß er gestohlen hat, wird von einem anderen verdächtigt, ihm zwanzig Mark gestohlen zu haben. Der Jugendliche muß sich mit dem Vorurteil auseinandersetzen und um Vertrauen werben.
7. Falsche Beschuldigung in der Schu
le, Eigenentwurf. Ein Jugendlicher wird von einem erregten Lehrer beschuldigt, den Unterricht gestört zu haben und erhält dafür eine Strafarbeit. Der Jugendliche muß ruhig die falsche Beschuldigung zurückweisen.
8. Einladung zur Fete, nach Sitzungskonzept 7 in Steller et al.(1978). Ein Jugendlicher bittet seinen Vater, mit Freunden bis spät in die Nacht eine Fete mit Musik in seinem Zimmer veranstalten zu dürfen. Er nimmt die Bedenken seines Vaters ernst und macht Kompromißvorschläge.
6. Erfassung und Überprüfung der Trainingseffekte
Zur Erfassung des aggressiven Verhaltens der Jugendlichen wurde der von Petermann& Petermann(1978, 19842) angegebene Beobachtungsbogen für aggressives Verhalten(BAV) benutzt. Das Kategoriensystem des BAV hält die Ausprägung der Variablen fest. Als Variablen gehen in das Beobachtungssystem die unterschiedlichen Dimensionen der Aggressivität ein, die nach ihrer Intensität von 1 bis 9 einzuschätzen sind, wobei 1„nicht ausgeprägt” und 9„sehr stark ausgeprägt” bedeutet. Die im BAV festgelegten 10 Kategorien sozial unerwünschten Verhaltens wurden aus folgenden Dimensionen der Aggressivität abgeleitet: 1. Verbale vs. nonverbale Aggressivität; 2. offen gezeigte vs. verdeckthinterhältige Aggressivität; 3. Zielobjekt
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