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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Ulrike Petermann/Birgit Röttgen: Sozial unsichere Kinder Konzeption und Evaluation eines Behandlungspaketes

gung, daß sie nichts an ihremZustand ändern können. Sie haben resigniert oder wehren sich gegen jegliche Ände­rungsabsicht. Folglich muß an ihren Überzeugungen bzw. Erwartungen an­gesetzt werden. Die Erwartungen müs­sen sich verändern, damit eine stabile Verhaltensänderung eintreten kann. Die Erwartungsänderung erfolgt wiederum durch Handeln: Die Kinder müssen er­fahren, daß ihr Handeln einen Effekt hat. Sie müssen schrittweise erleben, daß Konsequenzen aus der Umwelt und die Umwelt selbst nicht unkontrollierbar zu sein brauchen. Sie müssen lernen, sich selbst Sicherheitssignale zu schaffen, um soziale Angst abzubauen. Die Handlun­gen der Kinder, die ihnen diese neuen Erfahrungen ermöglichen sollen, müs­sen unter mehr oder weniger großen Nachdruck herbeigeführt werden. Nur so haben die Kinder eine Verhaltensän­derungs- und damit eine neue Entwick­lungschance.

Da die Eltern in der Regel an einer Ver­haltensänderung ihrer Kinder interes­siert sind(die Eltern leiden z. B. darun­ter, daß ihre Kinder ihnen nichts erzäh­len oder keine Sozialkontakte haben), können die Kinder sehr gut mit Nach­druck aktiviert werden. Dies beginnt damit, daß sie regelmäßig zu den Trai­ningssitzungen erscheinen und vor al­lem am Gruppentraining teilnehmen (wovor sich die meisten Kinderdrük­ken wollen, da dies mit Sozialkontakt verbunden ist). Weiterhin ist es wichtig, daß die Kinder bestimmten Aufgaben, Sozialkontakten und Freizeitaktivitäten (z.B. an einer Sportgruppe teilnehmen) nachkommen. Hier ist die besondere Mitarbeit der Eltern notwendig. In je­dem Fall ist den Kindern die Erfahrung zu vermitteln, daß ihre Aktivitäten Ein­fluß auf die Umwelt haben und eigene Bedürfnisse befriedigen können. Sie eignen sich während des Trainings Ver­haltenskompetenzen an, die ihnen in so­zialen Situationen Sicherheit geben. Neben der Veränderung des Kindver­haltens muß jedoch auch eine minimale Änderung des Elternverhaltens einher­schreiten. Diese beginnt damit, dem Kind einerseits mehr Selbständigkeit

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1986

Tab. 1: Ziele, Vorgehensweisen und Materialien des Einzel- und Gruppentrainings mit sozial unsicheren Kindern.

Material

Ziele und Vorgehensweise

1. Einzel- Dem Kind wird sozial unsicheres Verhalten und soziale

trainings- Angst bewußt gemacht. Dazu wird das Kind mit einer

stunde Problemsituation und unterschiedlichen Verhaltensweisen, das Problem zu bewältigen, konfrontiert.

2. Einzel- Die Wahrnehmung des Kindes besonders hinsichtlich der

trainings- Mimik und damit zusammenhängenden Gefühlen und

stunde Interaktionsabläufen wird geschult. Es erfolgt ein erstes Kennenlernen von Selbstverbalisation als Beeinflussungs­möglichkeit eigenen Verhaltens.

3. Einzel- Die Erwartungen des Kindes an Verhaltensweisen von

trainings-stark erscheinenden Personen und die Erwartungen an

stunde die eigene Person hinsichtlich sozialer Angst und unsicherem Verhalten werden reflektiert.

4. Einzel- Das Kind soll seine Beurteilungskriterien an Verhalten

trainings- in sozialen Interaktionen überprüfen. Dazu wird

stunde besonders die Gestik reflektiert; Satzergänzungen werden vorgenommen, und nach Verhaltensalternativen zu sozial unsicherem Verhalten wird gesucht.

1. Gruppen- Die Kinder sollen lernen, positive Gefühle und Freude

trainings- gegenüber vertrauten Personen zu zeigen. Ein Rollenspiel

stunde mit dem ThemaDas Geburtstagsgeschenk wird vor­bereitet, durchgeführt und reflektiert.

2. Gruppen- Die Kinder lernen einerseits, eigene Ansprüche durch­

trainings- zusetzen, und andererseits Ansprüche anderer zu erkennen.

stunde Dazu wird wieder ein RollenspielHausaufgaben erfragen durchgeführt.

3. Gruppen- Zwei Ziele werden angestrebt und Verhalten in Rollen­

trainings- spielen eingeübt: einmal Kontakt aufnehmen und zum

stunde anderen Kritik annehmen und angemessen verarbeiten können.

4. Gruppen- Die Kinder sollen lernen, sich angemessen selbstbehaupten

trainings- zu können. Als Rollenspielvorlage dient eine Videofilm­

stunde situation mit sozial unsicherem Verhalten.

5. Gruppen- Die Kinder erleben durch eineExperimentierphase die

trainings- Situation der sozialen Hervorhebung, die durch die

stunde GeschichteAufgerufen werden in der Schule aufgear­beitet wird. In einem Rollenspiel wirdDiskutieren mit anderen als zweites Ziel dieser Stunde geübt wird.

6. Gruppen- Abschließend wird noch einmal das ZielGefühle,

trainings- Meinungen, Kritik zeigen aufgegriffen und mit den

stunde RollenspielenVolleyball- bzw. Fußballspiel vertieft.

und Freiraum zuzubilligen, andererseits konsequent mehr Forderungen und(so­ziale) Aufgaben an es zu stellen. Und sie

hört auf mit der regelmäßigen gemeinsa­men Freizeitgestaltung und dem Erle­ben eines Familiengefühls(= Bewußt­sein, eine Familie zu sein).

Videofilm: verschiedene Situationen auswählbar

Bildserie von Gesichtern

Bildmaterial: Wovor hat Superman/ Micky Maus Angst?

Comicähnliche Geschichten mit unvoll­ständigen Sprechblasen

Bildmaterial: Situations­beschreibung mit Verhaltens­alternativen Bildmaterial wie oben

Bildmaterial wie oben

Videofilm (siehe Einzel­training)

Bildmaterial: Situations­beschreibung mit Verhaltens­alternativen

Bildmaterial wie oben

In Tabelle 1 werden die Trainingsschrit­te mit dem Kind und die Schritte der El­ternberatung im Überblick dargestellt:

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