Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
1
Einzelbild herunterladen

Zur Frage der primären Prävention in der (Sprach-)Behindertenpädagogik

Von Jürgen Gössel

Die Notwendigkeit früher Hilfen ist bewiesen und in Fachkreisen unbestritten. Dies gilt auch für die Erfas­sung und Förderung(sprach-)behinderter oder von (Sprach-)Behinderung bedrohter Kinder. Diese Er­kenntnis stellt in ihrer sinnvollsten Umsetzung in erster Linie eine primäre, in zweiter Linie eine sekundäre Prä­vention dar, die entsprechend der multidimensionalen Bedingungszusammenhänge beim Spracherwerb inter­disziplinär auf allen Ebenen erfolgen muß. In einer an den Beratungsstellen in Baden-Württemberg durchge­führten Untersuchung konnte u. a. festgestellt werden, daß diese primäre Prävention kaum bzw. nicht durch­geführt wird. Notwendige Konsequenzen werden ange­sprochen.

The urgency of early help is proofed and undisputed among experts, which is also concerning the registra­tion and aid for children with(speech and language)di­sorders or those who are threatened with(speech and language)disorders. This knowledge means in his best realization first of all primary prevention and secondly second prevention, which has to be done interdiscipli­nary in all levels according to the interrelationship to language development. In an examination which was made at the health centres of Baden-Württemberg could be found out among others, that this primary pre­vention is hardly resp. isnt realized at all. Urgent con­sequences are discussed.

Einleitung

Auf Grund der Erkenntnisse und For­schungsergebnisse verschiedener wis­senschaftlicher Disziplinen hat die Früh­erfassung und-förderung behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder zunehmend an Bedeutung gewonnen. Die praktische Umsetzung dieser Not­wendigkeiten geschah- entsprechend den unterschiedlichen Erklärungsansät­zen des Behindertenbegriffs(Bleidick 1977; Grohnfeldt 1983; Gössel 1986) ­durch die Einrichtung verschiedenster Institutionen, um der Entstehung einer Behinderung vorzubeugen(primäre Prä­vention) und die Ausweitung ihrer Fol­gen zu verhindern(sekundäre Präven­tion)(Knura 1974, 143). Im pädagogi­schen Bereich- auf den der Verfasser sich im folgenden beschränkt- erfolgte dies durch die Errichtung überwiegend behinderungsspezifischer_Beratungs­

stellen, die neben einer ambulanten Be­treuung auch eine Betreuung in behin­derungsspezifischen Sonderkindergär­ten vorsieht.

Bezüglich der pädagogischen Früherfas­sung und-förderung(sprach-)behinder­ter und von(Sprach-)Behinderung be­drohter Kinder, wird durch die multidi­mensionalen_Bedingungszusammen­hänge(stellvertretend für viele vgl. Grohnfeldt 1983; Gössel 1986) beim normalen, erst recht aber bei gestörten Spracherwerbsprozessen deutlich, daß

') Entgegen der bisher gängigen Praxis soll

durch das in Klammern gesetzte Bestim­mungswort einerseits der Schwerpunkt des Aufgaben- und Arbeitsbereiches einer dies­bezüglichen Beratungsstelle, vielmehr je­doch die Multidimensionalität der Störungs­zusammenhänge sowie die hierin implizierte Notwendigkeit einer interdisziplinären, nicht auf die Sprache allein beschränkte Erfassung und Förderung zum Ausdruck gebracht wer­den.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 1, 1988

eine behinderungsspezifische Erfassung und Förderung den Notwendigkeiten ei­ner z. Zt. leider überwiegend noch gängi­gen Praxis der Erfassung und therapeuti­schen Betreuung dieser Kinder nicht ge­recht wird. Hiermit werden Notwendig­keiten einer interdisziplinären Diagno­stik, Beratung und Betreuung angespro­chen. Zugleich läßt sich aus den multi­dimensionalen Bedingungszusammen­hängen der Spachentwicklung erken­nen, daß die Erfassung und Förderung diesbezüglicher Kinder zu einem we­sentlich früheren als an heutigen Bera­tungsstellen üblichen Zeitpunkt erfol­gen muß.

Wenn andererseits die Früherfassung und-förderung(sprach-)behinderter Kinder- wie besonders aus verschieden­sten Veröffentlichungen der letzten Jah­re deutlich wurde(z. B. Braun et al. 1980, 1982; Grohnfeldt 1981a, 1981b, 1982, 1983; Prändl 1984; Teumer 1978) zum ­wie Puppe es schon 1976 nennt-neuen

1