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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Jürgen Gössel: Zur Frage der primären Prävention in der(Sprach-)Behindertenpädagogik

derung, wie sie sich an Hand der durch­geführten Untersuchung zeigten, über­

blicksartig

zusammengefaßt werden

(weitere Angaben vgl. Gössel 1986).

Zum Bereich der Erfassung:

die Erfassung 0O-3jähriger von (Sprach-)Behinderung bedrohter Kinder wird in BW nicht bzw. nur in verschwindend geringer Anzahl durchgeführt. So stehen insgesamt 179 erfaßten 0-3jährigen Kindern 6455 erfaßte Kinder im Alter von 3-6 Jahren gegenüber. Hierbei waren bei den 0-3jährigen 99, bei den 3-6jähri­gen 5093 Kinder therapiebedürftig. Wie stark die Früherfassung im Al­tersbereich von 0-3 Jahren vernach­lässigt wird, kann u. a. an der Anzahl der vorgefundenen unterschiedli­chen sprachlichen Auffälligkeiten verdeutlicht werden. Hierzu drei Bei­spiele, die gerade in diesem Altersbe­reich in Zusammenhang mit weite­ren Entwicklungsbereichen zu sehen und somit von besonderer Bedeu­tung sind.

Sprachentwicklungsverzögerung:

Von den Beratungsstellenleitern wurde bei 50 Kindern im Alter von 0-3 Jahren eine Sprachentwicklungs­verzögerung festgestellt. Im Verg­leich hierzu waren es 567 Kinder im Alter von 3-6 Jahren.

Vergleicht man hierzu die Ergebnis­se von Teumer et al(1981), Grohn­feldt(1983) und Tent et al(1984), so bedeutet dies, daß die Erfassung von über 500 Kindern zu spät erfolgte und somit eine notwendige Früher­fassung nicht stattfand. Hierbei ist der Beginn therapeutischer Maßnah­men, auf den später noch einzuge­hen sein wird, nicht berücksichtigt.

Interessant ist aber auch der jeweils signifikante Unterschied zwischen H und N, der darauf verweist, daß diese Verzögerung und damit in Zusam­menhang stehende weitere Entwick­lungsbereiche von Hauptfächlern in bedeutend größerem Umfang eher erkannt wird als von Nebenfächlern (p< 0,05).

Sprachentwicklungsbehinderung:,

Während bei den 0-3jährigen Kin­dern nur 24 Kinder mit einer Spra­chentwicklungsbehinderung erfaßt wurden, waren dies 114 bei den6jährigen Kindern, d. h. nahezu fünf­mal soviel Kinder wie bei den 0-3jäh­rigen wurden erst im Alter von 3-6 Jahren erfaßt: Beachtet man nun, daß bei einer Sprachentwicklungsbe­hinderungdie Herausbildung aller Komponenten des sprachlichen Sy­stems gestört ist(Lewina 1975 in Grohnfeldt 1983, 84), so wird deut­lich, daß die Erfassung für den wei­taus größten Teil der diesbezüglich beeinträchtigten Kinder zu spät er­folgte, da die Komplexität der Stö­rung entsprechend der multidimen­sionalen Bedingungszusammenhän­ge beim kindlichen Spracherwerb weitere Auffälligkeiten bereits bein­haltet bzw. bewirken wird. Anomalien:

Am gravierendsten sind die Ver­säumnisse einer Früherfassung bei den in Folge einer Anomalie von (Sprach-)Behinderung bedrohten Kindern zu erkennen, da die Ursa­che, d.h. die Anomalie(z. B. LKG, Wucherungen im Artikulationsbe­reich, Kieferanomalien etc.) häufig so offensichtlich erkennbar sind, daß sie- mit Ausnahme der Anomalien bei Zahnstellungen- schon unmit­telbar nach der Geburt bzw. im 1. Le­bensjahr vom Mediziner festgestellt werden.

So stehen 8 Kinder, die im Alter von 0-3 Jahren durch die Beratungsstel­len erfaßt wurden, 83 Kinder im Al­ter von 3-6 Jahren gegenüber. Inte­ressant ist hierbei, daß die 0-3jähri­gen Kinder nur von Hauptfächlern

In Anlehnung an Lewina(1975 in Grohn­

feldt 1983, 84 ff.) wird eine in drei Schwer­grade einteilbare Störung verstanden, zu der neben der sprachwissenschaftlich orientierten Sichtweise weitere Ergebnis­se einer entwicklungspsychologischen und neurophysiologischen Untersu­chung hinzukommen.

erfaßt wurden, wobei sich die heraus­ragende Stellung der Hauptfächler ­wenn auch nur kapp signifikant(p= 0,505)- auch bei den 3-6jährigen Kindern zeigt.

Generell war festzustellen, daß im Bereich der Erfassung 0-3jähriger, als auch 3-6jähriger Kinder signifi­kante Unterschiede zwischen H und N bestehen und zwar zu Gunsten der Hauptfächler.

Trotz nahezu doppelter Anzahl von Beratungsstellen an SOL wurden an SOS hochsignifikant mehr 0-3jähri­ge(p< 0,01) und 3-6jährige Kinder (p< 0,01) untersucht, wobei in ein­zelnen Ergebnissen Zusammenhän­ge zwischen der Leitung sowie dem Sitz der Beratungsstelle erkennbar sind.

0-3jährige Kinder wurden überwie­gend auf eigene Initiative der Eltern gemeldet, wogegen 3-6jährige Kin­der überwiegend durch den Kinder­garten der Beratungsstelle gemeldet wurden- also nicht durch Mediziner. Neben der Sprachstörung wurden von weit über 50% der Beratungs­stellenleiter häufig weitere Beein­trächtigungen festgestellt, die vor­wiegend die Bereiche Motorik, aku­stische Wahrnehmung, psycho-so­ziales Fehlverhalten sowie Denktä­tigkeit bzw. Lernstörungen betref­fen. Ähnliche Ergebnisse konnten bei Mehrfachstörungen erhoben werden.

Bei 88,3% der 0-3jährigen Kinder wurden weitere Untersuchungen durch den Mediziner angeregt, um vermutete in Zusammenhang mit der Sprachstörung stehende weitere Beeinträchtigungen abzuklären. Nach Ansicht von über 60% der Be­ratungsstellenleiter hätten die zu­sätzlich zur Sprachstörung festge­stellten weiteren Beeinträchtigungen von Ärzten im Rahmen der Vorsor­geuntersuchungen festgestellt wer­den müssen.

Von Ärzten wurden im Vergleich zu Kindergärten, and. Beratungsstellen, Eigeninitiativen der Eltern etc. kaum Kinder an die Beratungsstelle gemel­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1988