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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Friedrich Masendorf: Die Trainierbarkeit des abstrakten Denkens bei lernbehinderten Kindern

dorf& Klauer 1986, 1987; Klauer 1987) geht davon aus, daß jedwedem abstrakt­analytischen Denkens die basalen Er­kenntnisleistungenGleichheit und Verschiedenheit zugrundeliegen. Diese werden bereits in früher Kindheit erwor­ben. Sie sind für alle Leistungen des Wiedererkennens und der Bewältigung jeder neuen Situation von grundlegen­der Bedeutung. So werden Objekte be­züglich bestimmter Merkmale als gleich oder verschieden eingestuft, wobei dann ein Klassenbegriff und letztendlich eine Begriffshierarchie resultiert. Dies ist ein Prozeß abstrakten Denkens. Objekte oder Objektpaare oder Ereignisse wer­den aber auch bezüglich ihrer Relatio­nen untereinander auf Gleichheit und/ oder Verschiedenheit hin miteinander verglichen. Verglichene Objekte können beispielsweise unter dem Aspekt der Größenrelation betrachtet werden, nämlich ob die Relation... ist größer als ... gegeben ist. Die Beachtung von Rela­tionen stellt ebenfalls einen Prozeß ab­strakten Denkens dar. Hier werden die Objekte dahingehend miteinander ver­glichen, ob sie bezüglich einer oder meh­rerer bestimmter Relationen gleich oder verschieden sind.

Die Logik weist Merkmale als einstellige und Relationen als mehrstellige Prädika­te aus. Durch Merkmale und Relationen sind alle Möglichkeiten, um etwas über Objekte auszusagen, erschöpft. Merk­male und Relationen aber lassen sich nur durch Vergleichen ermitteln, und Vergleichen bedeutet nichts anderes als Gleichheit und/oder Verschiedenheit festzustellen. Nach Klauer(1987) ge­schieht dieses Vergleichen nicht global, sondern systematisch. Merkmale oder Relationen werden nach einer bestimm­ten Ordnung herausgegriffen, die einen hinreichend vollständigen Vergleich ge­währleistet.

Insbesondere Sonderschüler und geistig retardierte Kinder bedürfen, was das sy­stematisch-analytische Vergleichen an­geht, der besonderen Unterrichtung und Förderung. Deswegen ist es zweckmä­Big und hilfreich, diesen Personenkreis an Aufgaben zu schulen, die analytisch­systemisches Vergleichen in besonde­

rem Maße erfordern und somit das ab­strakte Denken verbessern. Hier bieten sich die sogenannten G-V-Aufgaben an. Sie verlangen die Feststellung der Gleichheit und/oder Verschiedenheit von Merkmalen oder Relationen und lassen sich wie folgt definieren(Klauer 1987, 5):

Definition: G-V-Aufgaben sind Aufga­ben, die die Feststellung

a2 Verschiedenheit

as Gleichheit und Verschiedenhei

"r b2 Relationen

erfordern.

Hieraus resultieren sechs Aufgabenklas­sen:

aıbı Generalisierung(GE)

azbı Diskrimination(DIS)

asbı Kreuzklassifikation(KKL)

aıbz Beziehungserfassung(BE)

azb2 Beziehungsunterscheidung(BU) asbz2 Systembildung(SB)

Abbildung 1 zeigt, daß sich die sechs Aufgabenklassen in einen Merkmals­und einen Relationsast aufgliedern. Wie später noch aufgezeigt wird, sollte im Training das Vermitteln von Merkmalen und Relationen gesondert erfolgen.

Kreuzklassifikation

e*

Generalisierung

"Diskrimination

Daß die meisten dieser Aufgabenklassen durch verschiedene Itemformen reali­siert werden können, wird sofort an­schaulich, wenn man die in Form einer Tyler-Matrix aufgebaute Spezifikations­tabelle(Abb. 2) betrachtet.

Die Tabelle ermöglicht eine präzise Auf­schlüsselung angestrebter Lehrziele und dient zur exakten Formulierung und Überprüfung von Transferpostulaten. Die Operationsklassen sind nach Klauer (1985) durch die Itemformen definiert, die festlegen, was am jeweiligen Gegen­stand zu tun ist. Wir haben links den Merkmals- und rechts den Relationsbe­reich.

Die Inhaltsklassen bestehen aus den Sachverhalten, die in die Aufgaben ein­gehen. Die Aufgaben(sowohl für die Trainings als auch für die Posttests) ent­stehen als Verknüpfung eines Sachver­halts und einer Itemform. Die Inhalte entsprechen nach Klauer dem deklarati­ven Wissen, die Operationen dem proze­duralen Wissen(Lösungswissen). Da die Kinder in den Trainings lernen, Objekte systematisch auf Gleichheit und Ver­schiedenheit von Merkmalen und/oder Relationen zu prüfen, liegt formaler Transfer dann vor, wenn ihnen die in den Trainings erworbene Technik hilft,

Systembildung

Beziehungs-Beziehungs­

erfassung unterscheidung

Re!ationen

G-Algorithmus

Abb. 1: Stammbaum der G-V-Leistungen(nach Klauer 1984).

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1988