Friedrich Masendorf: Die Trainierbarkeit des abstrakten Denkens bei lernbehinderten Kindern
Diskussion
Betrachtet man die Tabelle 2 unter dem Aspekt der Jonckheere-Trendtests, so drängt sich der Eindruck auf, daß die Treatments bis auf zwei Ausnahmen (Untersuchung 4 und 13) außerordentlich wirksam i. S. unserer Postulate 1 und 2 verlaufen seien.
Die Metaanalyse jedoch erst vermag solche Eindrücke zu relativieren und ins rechte Licht zu rücken. Sie beantwortet die Frage, ob die empirisch ermittelten ES-Schätzungen unserer Experimente aus der jeweils(für A, B, C, D und E) einzigen Population von Populationseffektstärken stammen und somit einfach gemittelt werden können. Betrachtet man nämlich lediglich die Mittelwerte innerhalb der 90%-Intervalle in Tabelle 4- sowohl für den linken als auch rechten Ast - so ist es schon beeindruckend, wie nahtlos die Voraussagen(vgl. Postulate) eingetroffen sind. Doch das Modell heterogener Effekte von Hedges(1983) weist recht weite Variationsbreiten der ES-Schätzungen und unterschiedliche Rest- bzw. Fehlervarianzen auf. Die Varianzzerlegungen in den einzelnen Untergruppen bieten nämlich zusätzliche Beurteilungsmöglichkeiten, ob und inwieweit die Trainingskonzeptionen beibehalten oder verändert werden sollten. Hinsichtlich des linken Astes(des Merkmalsbereichs) erhielten wir für die Treatmenteffekte auf die benachbarte Aufgabenklasse eine wahre Varianzaufklärung von 41%, für die Treatmenteffekte auf dieselbe Aufgabenklasse von 29%; ca. 60 resp. 70% der Varianzen sind auf Stichprobenfehler zurückzuführen. So erscheint es kaum sinnvoll, diese Varianzen durch die Einführung von Modera
Literatur
torvariablen weiter aufzuklären. Es kann die Aussage getroffen werden, daß trotz des relativ breiten Vertrauensintervalls (linker Ast, benachbarte Aufgabenklassen: 0.354< 1.069< 1.783; linker Ast, dieselben Aufgabenklassen: 1.693< 2.343< 2.993) der Populationseffekte die eindeutig summarische Aussage der Wirksamkeit der einheitlichen G-VTrainings außer Frage steht. Dies insbesondere deshalb, weil der Wert Null, auch unter Berücksichtigung eines sogar 95%igen Vertrauensintervalls, nicht mitumfaßt wird. Die Mittelwerte für A und B in Tabelle 4 liegen klar auseinander, so daß unsere Postulate 1 und 2 für den Merkmalsast bestätigt werden konnten. Demgegenüber zeigen für den rechten Ast(für die Relationen) die mittleren Effekte 0.897 vs. 1.091 auch noch eine Abstufung i. S. unserer Vorhersagen, nämlich daß Transfers auf nicht geübte Aufgaben derselben Aufgabenklasse effektstärker sind als auf benachbarte Aufgabenklassen. Allerdings liegen die Effektstärken nicht in den Größenordnungen derjenigen der Merkmale. Die Vermittlung von Gleichheit und Verschiedenheit bei Merkmalen ist offensichtlich leichter zu bewerkstelligen. Zudem wird, bezüglich der Relationen, bei den Transfers auf die benachbarten Aufgabenklassen auch der Wert Null umfaßt, die Populationseffekte reichen sogar bis zum Wert— 0.303, so daß hier die Angabe des relativ hohen Populationsmittelwertes von 0.897 auf keinen Fall für eine summarische Aussage ausreicht. Für die Trainings auf dieselbe Aufgabenklasse wird, selbst unter Berücksichtigung eines 95%igen Vertrauensintervalls, der Wert Null nicht erreicht. Insgesamt jedoch gilt für den Relationsast, daß die
Fricke, R.& Treinies, G.: Einführung in die Metaanalyse. Bern, Stuttgart, Toronto 1985 Klauer, K. J.: Intelligenztraining im Kindesalter. Weinheim 1975
Klauer, K. J.: Arbeitspapiere zur G-V-Systematik. RWTH Aachen 1984, 1985(unveröffentlicht)
Trainings zwar zufriedenstellend, aber nicht so erfolgreich verlaufen sind wie für den Merkmalsast.
Die Varianzzerlegungen für die Effekte bei den benachbarten Aufgabenklassen des Relationsastes weisen mit 69% wahren Varianzanteils eine Größenordnung auf, die man nicht unbeachtet lassen kann. Hier liegt die Vermutung nahe, daß die Trainingsleiter die G-V-Trainings in unterschiedlicher Qualität realisieren.
Für den Relationsast wird versucht, die Trainings noch zu verbessern. Zunächst einmal sei gesagt, daß die Dauer der Trainings(vier Unterrichtsstunden ä 45 Minuten) relativ kurz war. Zudem lassen sich auch die Arbeitsanweisungen noch verbessern. Um die Trainingsprozeduren zu standardisieren und deshalb zu noch eindeutigeren Ergebnissen zu kommen, werden die Möglichkeiten der computergestützten Instruktion für den Bereich der Förderung des abstrakten Denkens bei lernbehinderten Kindern derzeit mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft erprobt. Über den Stand der Forschungsarbeiten informiert ein Zwischenbericht an die DFG.
Zum lateralen Transfer(gemäß Postulat 3) ist zu sagen, daß er die sonst positiven Transfereffekte überlagern kann. Wir erhielten hier einen schwachen negativen Effekt von— 0.272 von den Relationsaufgaben auf die Kreuzklassifikation. Dieses Ergebnis sollte man nicht überbewerten, da dieser negative Effekt bislang lediglich für die KKL-Aufgaben gefunden werden konnte, so daß es nicht zweckmäßig erscheint, nach dem Training von Relationsaufgaben KKL-Aufgaben abzuprüfen.
Klauer, K. J.: Auswirkungen eines Trainings des abstrakt-analytischen Denkens auf die Intelligenz von Grundschülern. Zeitschrift für Pädagogi
sche Psychologie, 1987(im Druck)
Masendorf, F.& Klauer, K. J.: Gleichheit und Verschiedenheit als kognitive Kategorien: Experimentelle Überprüfung durch ein Intelligenztraining bei lernbehinderten Kindern. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 1986, Bd. XVIII, 1, 46-55
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1988
19