C. Klicpera und S. Schachner-Wolfram: Entwicklung der Lesefähigkeit während des ersten Schuljahres
% FALSCH GELESENE WÖRTER
Abb. 2: Lesefehler(Prozentsatz der falsch gelesenen Wörter) zu den fünf Testzeitpunkten und bei den 6 verschiedenen Leseaufgaben: A. vertrauter Text, B. bekannt Wörter in neuen Sätzen, C. bekannte Wörter als Liste, D. neue Wörter in Satzform, E. neue Wörter als Liste, F. Pseudowörter. In der ersten Säule ist jeweils der Mittelwert und die Streuung für die Gruppe der guten Leser, in der zweiten Säule für die Gruppe der schwachen Leser darge
stellt.
Zwischen dem zweiten und dem fünften Testzeitpunkt zeigten sich neben dem Einfluß des Testzeitpunktes(F(3,15)= 93.5; p< 0.001), der eine starke Zunahme der Lesegeschwindigkeit ab dem zweiten Testzeitpunkt anzeigte, auch aufgaben-spezifische Einflüsse. Es waren sowohl der Einfluß der Leseaufgabe (F(1,16)= 50.0; p< 0.001) wie auch die Interaktion zwischen Leseaufgabe und Testzeitpunkt(F(1,16)= 7.8; p< 0.001) signifikant. Die Lesegeschwindigkeit bei vertrauten Sätzen war zu allen Testzeitpunkten deutlich größer als bei bekannten Wörtern in neuen Sätzen, ab dem vierten Testzeitpunkt war dieser Unterschied besonders deutlich ausgeprägt. Das Lesen von vertrauten längeren Texten ab dem vierten Testzeitpunkt führte
32
zu einer deutlichen Zunahme der Lesegeschwindigkeit. Diese starke Zunahme ist wahrscheinlich dadurch bedingt, daß sich die Kinder beim Lesen von längeren Texten stärker auf den Kontext stützen konnten.
Über Unterschiede zwischen gut lesenden und leseschwachen Kindern kann zum ersten Testzeitpunkt keine Aussage gemacht werden, da bei zu vielen Kindern(zudem bei fast allen leseschwachen Kindern) das Lesen durch Hilfestellung des Untersuchers unterbrochen wurde. Leseschwache Kinder unterschieden sich jedoch vom zweiten Testzeitpunkt an signifikant beim Lesen vertrauter Sätze und bekannter Wörter in neuen Sätzen(F(1,16)= 5.3; p< 0.05).
Die Interaktion zwischen der Vertrautheit mit der Vorgabeform und der Gruppenzugehörigkeit war nicht signifikant, d. h. die Lesegeschwindigkeit der schwachen Leser war auch bei vertrauten und geübten Texten deutlich geringer als jene der guten Leser. Es kam aber zu einer signifikanten Interaktion zwischen der Gruppenzugehörigkeit und dem Testzeitpunkt(F(3,16)=2.8; p<0.05). Diese Interaktion beruht darauf, daß der Rückstand in der Lesegeschwindigkeit der leseschwachen Kinder gegenüber den guten Lesern vom zweiten zum fünften Testzeitpunkt allmählich zunahm.
Lesefehler: In der Häufigkeit, mit der einzelne Wörter der den Kindern zum Lesen vorgegebenen Texte falsch gelesen
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1988