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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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C. Klicpera und S. Schachner-Wolfram: Entwicklung der Lesefähigkeit während des ersten Schuljahres; 2. Entwicklung des Leseverhaltens

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1 SELBSTKORREKTUREN v0

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Abb. 3: Prozentsatz an selbstkorrigierten Fehlern zu den 5 Testzeitpunkten. I. Leseaufgaben mit bekannten Wörtern. II. Leseaufgaben mit neuen Wör­tern. II. Leseaufgaben mit Pseudowörtern. In der ersten Säule ist jeweils der Mittelwert und die Streuung für die Gruppe der guten Leser, in der zweiten Säule der Mittelwert und die Streuung für die Gruppe der schwachen Leser dargestellt.

Zum ersten Testzeitpunkt bestanden deutliche Unterschiede zwischen den Wortarten im Anteil an selbst korrigier­ten Fehlern. Während von Fehlern bei bekannten Wörtern etwa ein Drittel von den Kindern selbst korrigiert wurde, wurde von den Fehlern bei neuen Wör­tern und Pseudowörtern weniger als ein Zehntel selbst korrigiert(Abb. 3). Zum zweiten Testzeitpunkt stieg der Anteil an Selbstkorrekturen auch bei den neuen Wörtern deutlich an, während er bei den Pseudowörtern weiter niedrig war.

Der Anteil an Selbstkorrekturen betrug im zweiten Halbjahr etwa ein Drittel der Fehler. Die Unterschiede zwischen den Wortarten waren in diesem Zeitraum geringer, aber noch signifikant. Fehler beim Lesen bekannter Wörter wurden häufiger selbst korrigiert als Fehler beim Lesen neuer Wörter(F(1,12)= 8.4; p< 0.05), Fehler beim Lesen neuer Wörter ihrerseits im Trend häufiger als Fehler beim Lesen von Pseudowörtern(F (1,12)= 3.0; p= 0.10). Der Einfluß des Testzeitpunktes auf die Häufigkeit von selbst korrigierten Fehlern erwies sich auch in der zweiten Hälfte des Schuljah­res als nicht signifikant, ebensowenig die Interaktion zwischen Testzeitpunkt und Wortart.

In beiden Analysen ergab sich ein Trend, daß die leseschwachen Kinder

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ihre Fehler seltener selbst korrigierten als die gut lesenden Kinder. Die signifi­kanten Interaktionen zwischen Lesefä­higkeit und Testzeitpunkt in beiden Analysen(1. Halbjahr: F(1,14)= 14.9; p < 0.005; 2. Halbjahr: F(1,12) 5.9; p< 0.05) wiesen jedoch auf bedeutsame Un­terschiede in der Entwicklung des Selbstkorrekturverhaltens hin. Beim er­sten Testzeitpunkt war kein Unterschied zwischen den beiden Gruppen in der Häufigkeit von Selbstkorrekturen fest­zustellen, in der Mitte des Schuljahres bestanden jedoch deutliche Unterschie­de, die gegen Ende des Schuljahres wie­der abnahmen. In keiner der beiden Analysen erwies sich die Interaktion zwischen Lesefähigkeit und Wortart als bedeutsam für den Anteil an selbstkor­rigierten Fehlern.

Dehnlesen: Die Häufigkeit, mit der ein langsames Erlesen zu beobachten war, stand in einem klaren Zusammenhang mit der zu lesenden Wortart und den Testzeitpunkten. Auch die Interaktion dieser beiden Faktoren war signifikant. Bei bekannten Wörtern wurde ein Dehnlesen deutlich weniger oft einge­setzt als bei neuen Wörtern(F(1,19)= 36.5; p< 0.001) und bei neuen Wörtern seltener als bei Pseudowörtern(F(1,19) = 10.8; p< 0.01)(Abb. 4). Während der ersten Hälfte des Schuljahres, aber nicht

in der zweiten Hälfte, ließ sich zudem ei­ne deutliche Abnahme in der Häufigkeit feststellen, mit der die Kinder über ein Lautieren und ein gedehntes Lesen die Wörter zu erlesen versuchten(F(1,19)= 18.0; p< 0.001). Von diesem Trend gibt es jedoch eine Ausnahme. Bei bekann­ten Wörtern mußte beim ersten Test­zeitpunkt praktisch nie auf das Dehnle­sen zurückgegriffen werden, in der Mitte des Schuljahres war dies hingegen im Durchschnitt bei etwa einem Sechstel der Wörter notwendig. Später nahm die Häufigkeit des Dehnlesens bei bekann­ten Wörtern wieder ab. Bei neuen Wör­tern(und bei Pseudowörtern) wurden dagegen bereits zu Anfang etwa ein Drit­tel der Wörter über Lautieren, bzw. über lautes gedehntes Lesen erlesen(Interak­tion Tp x bekannte gegen neue Wörter: F(1,19)= 16.2; p= 0.001). In der zweiten Hälfte des Schuljahres nahm die Häufig­keit des Dehnlesens bei bekannten Wör­tern dann stärker ab als bei neuen Wör­tern(F(1,19)= 3.7; p= 0.07).

Ein Dehnlesen bzw. ein Zusammenlau­ten wurde bei den leseschwachen Kin­dern insgesamt nicht viel seltener be­obachtet als bei guten Lesern. Allerdings war die Entwicklung des Dehnlesens in den beiden Gruppen unterschiedlich. Bis zur Mitte des Schuljahres war bei den gut lesenden Kindern relativ häufig ein spontanes Zusammenlauten zu be­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1988