Zeitschrift 
Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
Seite
41
Einzelbild herunterladen

C. Klicpera und S. Schachner-Wolfram: Entwicklung der Lesefähigkeit während des ersten Schuljahres; 2. Entwicklung des Leseverhaltens

DEHNLESEN I

Abb. 4: Prozentsatz an Wörtern, die zu den 5 Testzeitpunkten über ein hörbares Lautieren und Dehnlesen erlesen wurden. I. Leseaufgaben mit bekann­ten Wörtern. II. Leseaufgaben mit neuen Wörtern. III. Leseaufgaben mit Pseudowörtern. In der ersten Säule ist jeweils der Mittelwert und die Streuung für die Gruppe der guten Leser, in der zweiten Säule der Mittelwert und die Streuung für die Gruppe der schwachen Leser dargestellt.

obachten, später allerdings fast nicht mehr. Bei den leseschwachen Kindern ließ sich anfangs ein Zusammenlauten eher selten beobachten, am Ende des Schuljahres jedoch, als dieses Lesever­halten bei den gut lesenden Kindern fast überhaupt nicht mehr zu beobachten war, war es bei den leseschwachen Kin­dern vor allem bei Pseudowörtern im­mer noch festzustellen(F(1,19)= 4.4; p = 0.05).

Murmeln: Oft lautierten die Kinder nicht laut und versuchten die Wörter hörbar zusammenzuschleifen, sondern mur­melten leise, bevor sie die Wörter laut zu lesen versuchten. Es zeigten sich in der Häufigkeit, mit der dieses Verhalten beobachtet wurde, ähnliche Trends wie beim lauten Dehnlesen. So wurde ein Murmeln bei bekannten Wörtern deut­lich seltener beobachtet als bei neuen Wörtern(F(1,15)= 7.4; p<0.05) und bei neuen Wörtern wiederum seltener als bei Pseudowörtern(F(1,15)= 6.1; p< 0.05). Die Unterschiede zwischen den Testzeitpunkten waren jenen beim Dehnlesen vergleichbar. Auch hier kam es zu einer Abnahme dieses Verhaltens vom Anfang zur Mitte des Schuljahres, wenn auch diese Abnahme nicht signifi­kant war(F(1,15)= 2.6; p= 0.12). Von

den Interaktionen zwischen Testzeit­punkten und Wortart erreichte eine das vorgegebene Signifikanzniveau(Anfang gegen Mitte des Schuljahres x neue Wörter gegen Pseudowörter F(1,15)= 4.6; p< 0.05). Diese Parallelität spricht dafür, daß es sich bei dem Murmeln um ein eng mit dem Dehnlesen im Zusam­menhang stehendes Verhalten handelt. Bei den leseschwachen Kindern war häufiger als bei den gut lesenden Kin­dern festzustellen, daß sie, bevor sie ein Wort lasen, etwas für den Beobachter Unverständliches vor sich hin murmel­ten. Da die Beobachtungen jedoch über die Testzeitpunkte zu inkonsistent wa­ren, waren die Unterschiede zwischen den Gruppen, obwohl zu einzelnen Zeit­punkten signifikant, insgesamt stati­stisch nicht abzusichern.

Anzahl der erforderlichen Hilfestellungen für das Erlesen von Buchstaben sowie Nen­nen falscher Buchstaben beim Dehnlesen: Die Anzahl solcher Ereignisse nahm na­türlich über die Testzeitpunkte hin ab(F (2,21)= 9.10; p< 0.001). Ähnlich wie für das Dehnlesen war auch hier ein Einfluß der Wortart(F(2,21)= 24.87; p< 0.001) und eine signifikante Interaktion zwi­schen Testzeitpunkt und Wortart(F (4,21)= 5.75; p< 0.001) festzustellen.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1988

Solche Hilfestellungen bzw. Fehler wa­ren in den Gruppen der guten und schwachen Leser unterschiedlich oft zu beobachten. Ein gruppenspezifischer Einfluß war aber statistisch nicht abzusi­chern.

Diskussion

Auch im Deutschen, mit seiner relativ regelmäßigen Graphem-Phonem Kor­respondenz, und bei einem synthetisch aufgebauten Leselehrgang lassen sich qualitativ verschiedene Stufen der Le­seentwicklung unterscheiden.

Zwei Gruppen von Fehlern deuten auf ein unterschiedliches Leseverhalten in verschiedenen Abschnitten der Leseent­wicklung hin. Zu Beginn der Leseent­wicklung weisen die Lesefehler von Kin­dern oft nur eine geringe Ähnlichkeit zu den ihnen zum Lesen vorgegebenen Wörtern auf. Gleichzeitig nennen die Kinder häufig falsche, ihnen aus dem Leseunterricht bekannte Wörter statt dem zu lesenden Wort. Diese Verhal­tensweisen gehen zu Beginn der Le­seentwicklung eng miteinander einher. Weil die Kinder häufig andere Wörter nennen, die sie bereits gelesen haben,

41