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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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C. Klicpera und S. Schachner-Wolfram: Entwicklung der Lesefähigkeit während des ersten Schuljahres; 2. Entwicklung des Leseverhaltens

an selbstkorrigierten Fehlern zeigt. Wei­ters zeigt sich diese Tatsache darin, daß schwache Leser in der ersten kritischen Hälfte des Leseunterrichtes das Dehnle­sen seltener einsetzen als gut lesende Kinder. Gegen Ende des Schuljahres, wenn diese Verhaltensweise von guten Lesern nur mehr ganz selten benötigt wird, müssen sie allerdings weiterhin darauf zurückgreifen.

Die Beobachtungen über das Lesever­halten der leseschwachen Kinder ma­chen unserer Ansicht nach vor allem zwei Dinge deutlich, die für die Förde­rung dieser Kinder relevant sind.

Zum einen zeigen sie, daß sich ungünsti­ge Verhaltensweisen beim Lesen bereits sehr frühzeitig ausbilden. Leseschwache Kinder korrigieren bereits nach einigen

Literatur

Monaten Leseunterricht einen viel ge­ringeren Teil ihrer Fehler von selbst als gute Leser, eine Verhaltensweise, die sich bei leseschwachen Kindern wäh­rend der ganzen Grundschulzeit be­obachten läßt. Frühzeitig beim Erlernen einer Fertigkeit erworbene Verhaltens­weisen können also sehr persistent sein, wenn nicht rechtzeitig versucht wird, diese Verhaltensweisen zu korrigieren. Zum anderen weisen die Ergebnisse dar­auf hin, daß die Technik des Dehnle­sens von leseschwachen Kindern unge­nügend und verspätet erlernt wird. Die­ser Technik kommt jedoch für das Le­senlernen einige Bedeutung zu, was sich allein schon an der Häufigkeit ihrer Ver­wendung in der ersten Häflfte des ersten Schuljahres ablesen läßt. Mit ein Grund

für Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Technik durch leseschwache Kin­der liegt darin, daß diese Kinder die Glie­derung der gesprochenen Sprache in Sil­ben und Phoneme bei Schulbeginn nur unzureichend verstehen, also einen Rückstand im phonologischen Bewußt­sein aufweisen(Klicpera und Schachner­Wolfram 1987 b). Dieser Rückstand ist gleichzeitig mit für die Schwierigkeiten beim Erlernen der Buchstaben-Laut Zuordnungen verantwortlich. Dies legt nahe, daß die Förderung der leseschwa­chen Kinder sehr früh beginnen sollte und daß ein wesentlicher Teil dieser För­derung in einem Training der sprachli­chen Segmentierungsfähigkeit und in weiterer Folge des Dehnlesens bestehen sollte.

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Klicpera, C.& Schachner-Wolfram, S.(1987 a). Entwicklung der Lesefähigkeit während des ersten Schuljahres. Heilpädagogische Forschung

(im Druck)

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Anschrift des Verfassers: Doz. DDr. C. Klicpera,

Abteilung für angewandte und klinische Psychologie

der Universität Wien, Gölsdorfg. 3/6, A-1010 Wien

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1988

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