Günter Faber: Schülerselbstkonzepte und lehrerperzipierte Verhaltensauffälligkeiten- eine Erkundungsstudie in dritten Grundschulklassen
statt und berücksichtigte Kinder aus vier verschiedenen dritten Klassen.
Ergebnisse
In Hinblick auf die zunächst interessierende Frage nach der Möglichkeit differentieller Selbstkonzept-Verhaltens-Zusammenhänge(Fragestellung 1) weisen die erhaltenen Untersuchungsresultate vor allem auf bedeutsame Beziehungen zwischen den leistungsthematischen Selbsteinschätzungen der Schüler und solchen eher passiv auffälligen Verhaltensproblemen(wie Angst, Unselbständigkeit, Abgelehntsein, Rückzugstendenzen) hin(Tab. 2.). Im Trend ähnlich, wenn auch schwächer ausgeprägt, stellen sich die Werte für das allgemeine Selbstwertgefühl dar. Demgegenüber bleiben die Korrelationen in bezug auf die eher aktiv auffälligen Verhaltensprobleme(also Unterrichtsstörungen und Aggressivität) nahezu durchgängig insignifikant. Einzige Ausnahme bildet die Kovarianz von Erscheinungsselbstbild und lehrerperzipierten Unterrichtsstörungen. Danach verfügen jene als besonders störend erlebten Schüler über ein negatives Konzept des eigenen Äußeren - und umgekehrt. Die übrigen sozialemotionalen Selbstkonzeptaspekte schließlich scheinen belanglos. Das Muster der Beziehungen, wie sie SO zwischen Schülerselbstkonzepten und Verhaltensauffälligkeiten vorgefunden sind, unterscheidet sich zudem kaum von den analog schulleistungsbezogenen Zusammenhängen. Im ganzen besehen ist damit auf eine allenfalls bedingt differentielle Validität der Schülerselbstkonzepte hinsichtlich sozial-emotionaler Schulschwierigkeiten verwiesen, insofern im wesentlichen nur die leistungsthematischen Selbstannahmen einen substantiellen wie problemspezifisch gewichteten Stellenwert einnehmen. Dieser Sachverhalt zeigt sich auch durch die multivariate Analyse der betreffenden Kovariationen untermauert: Unter der Annahme nämlich, daß den Lehrerurtei
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Tab. 2: Beziehungen As ischen ausgewählten Schülerselbstkonzepten(FSK) und lehrerperzipierten Schülerproblemen sowie der Rechtschreibzensur(LU-Rs).
ANGST UNSLB UNSTG ABLHG
FSK-Swg=35* 16—.06 FSK-EeF 40° 42° 10 FSK-BuE—.08 08.10 FSK-SdÄ 12=02 AD FSL-Bga ‚05 ‚08 16 FSK-total—,28* 16 211
*)p< 05") p<Z 01) D<.001
REGRS AGGRS LU-Rs
—.23*—.36** ‚05-.24* —.28*= 30 06—.68#* 21.07 ‚02.10 —.22* 19-.20-.24* -.19-.06 21-.07 -.32**—.34**-.06—.35**
Tab. 3: multivariate Beiträge der lehrerperzipierten Schülerprobleme in Hinblick auf die Ausprägung ausgewählter Schülerselbstkonzepte(FSK)- Beta-Gewichte und schrumpfungskorrigierte multiple Korrelationskoeffizienten.
FSK-Swg FSK-EeF FSK-BuE FSK-SdÄ FSK-Bga_FSK-total ANGST= 370 090—.100-.470—.015 270 UNSLB 351 083 ZU 303 259 285 UNSTG„367 107 024 605—.106-.295 REGRS 397 590 285-.005= 237—.389 AGGRS 212 095 135 ‚051—.148 077 Rkorr 444*„53 1+* 224 494* 286 363
*) p<.05**) p<.01
Die Problemvariable ABLHG mußte mangels zureichender Varianz aus den Regressionsglei
chungen ausgeschlossen bleiben.
len über problematisches Schülerverhalten prädiktive Funktionen für die Ausbildung der Schülerselbstkonzepte einzuräumen sind(Filipp 1979), kann das leistungsthematische Selbstkonzept am besten vorhergesagt werden(Tab. 3). Dabei kommt dem Ausmaß an individuell wahrgenommenen Rückzugstendenzen offenkundig das größte Gewicht zu, während der Beitrag der anderen Devianzurteile vernachlässigbar gering bleibt. In diesem Sinne erscheinen solche lehrerseits als regressiv eingeschätzten Verhaltensweisen auf der Schülerseite primär leistungsabhängig interpretierbar. Daneben bestätigt sich der schon bivariat markierte Zusammenhang von unterrichtsstörend beurteiltem Schülerverhalten und negativem Erscheinungsselbstbild eindringlich. Im übrigen finden sich die Hinweise auf die eher randständige Bedeutung der sozial-emotionalen Selbstkonzeptaspekte sowie auf die relative Beziehungslosigkeit des Ag
gressionsurteils der Lehrer erhärtet. In bezug auf das allgemeine Selbstwertgefühl der Schüler schließlich zeichnen sich Anhaltspunkte für seine fast durchgängige, wenn auch insgesamt mäßige Problemvalidität ab.
Die solchermaßen auf der Selbstkonzeptebene bereits weitgehend ausgewiesene Dominanz leistungsthematischer Aspekte(Fragestellung 2) läßt zwangsläufig auf einen entsprechend kontrollierenden Einfluß der Schulleistung schließen. Und dies belegen dann auch zum einen schon die teilweise beträchtlichen Überlappungen von Rechtschreib- und Devianzbeurteilungen, zum anderen die rechtschreibkontrollierten Partialkorrelationen zwischen Selbstkonzept- und Auffälligkeitsvariablen deutlich(Tab. 4): Insbesondere die Kovariationen des leistungsthematischen Selbstkonzepts sinken auf ein unübersehbar geringeres, häufig nicht mehr gegen den Zufall abzusicherndes Niveau ab. Ähnliches trifft
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1988