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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Günter Faber: Schülerselbstkonzepte und lehrerperzipierte Verhaltensauffälligkeiten- eine Erkundungsstudie in dritten Grundschulklassen

anzusehen sein(Schwarzer 1981, Peter­mann 1986). Unterdessen werfen aber auch einige der im einzelnen aufgelaufe­nen Teilergebnisse die Frage möglicher methodenabhängiger Effekte auf. So kann die mangelnde Problemgültigkeit etwa des Betragensselbstbildes der Schüler auf die varianzeinschränkende Vermischung unterschiedlich mitschü­ler- bzw. lehrerbezogen verankerter Selbstkognitionen verweisen(Pekrun 1985). Auf der Ebene der sozial-emotio­nalen Problemkriterien schließlich muß ungeklärt bleiben, inwieweit vor allem die als unterrichtsstörend und aggressiv erlebten Kinder in bestimmter Weise selbstkonzeptionell wirksame Antwort­stile in Richtung sozial erwünschter An­gaben realisiert haben können(Wagner 1977):

Als im weiteren bemerkenswertes Ein­zelergebnis, das so nicht in den Gesamt­befund einzuordnen scheint, verdient der konsistente Hinweis auf die negative Beziehung zwischen FErscheinungs­selbstbild und unterrichtsstörend beur­teiltem Verhalten herausgehobene Beachtung.

Ob mit diesem exponierten Problembe­zug gerade der Selbsteinschätzung des Äußeren, der in der untersuchten Alters­gruppe offenbar eine zentrale Rolle zu­zumessen ist(Thomas 1974), nun ein­

Literatur

schlägige psychische Regulationsprozes­se, etwa kompensatorischer Art, abgebil­det sind, kann mit dieser Studie nicht mehr geklärt werden.

Darüber hinaus hat sich in Hinblick auf den Stellenwert der lehrerperzipierten Schülerselbstkonzepte, im Einklang mit der entsprechenden Befundlage(Per­kins 1958, Helmke& Fend 1981, Marsh, Parker& Smith 1983), deren insgesamt mäßige Übereinstimmung mit den Selbstannahmen der Schüler bestätigt.

Dieser Umstand macht deutlich, daß zwischen Lehrern und Schülern im Zuge alltäglicher unterrichtlicher Interaktio­nen kaum subjektive Informationen aus­getauscht werden. Damit erhebt sich notwendig die Frage nach der Einfüh­rung unterrichtlicher Orientierungshil­fen, mit denen verstärkt selbstkonzept­vermittelnde Kommunikationsmuster zu gewährleisten- mögliche Problem­entwicklungen dadurch schon im Ansatz aufzufangen sind(Redlich& Schley 1981).

Gleichwohl weisen die Untersuchungs­daten den lehrerperzipierten Schüler­selbstkonzepten einen bedeutsamen und dabei problemdifferentiell struktu­rierten Stellenwert in Zusammenhang mit den Devianzurteilen der Lehrer zu. Insofern lassen sie sich als Teilkorrelate der impliziten Lehrertheorie über die

Schülerpersönlichkeit verstehen(Tor­now 1978).

Als in diesem Sinne schülerbezogen weitgehend invalide, zugleich aber leh­rerspezifisch urteilskongruente Wahr­nehmungsinhalte muß an den lehrerper­zipierten Schülerselbstkonzepten somit im besonderen ihre problembezogene Verhaltenswirksamkeit interessieren. Demgemäß zeichnet sich für weiterfüh­rende Untersuchungen die Frage ab, ob und wie die von Lehrern verfolgten An­nahmen über die Selbstsicht ihrer Schü­ler über einschlägige Devianzurteile hin­aus mit analog ausgeprägten und in der Folge problembegünstigenden Lehrer­verhaltensweisen einhergehen(Probst, Kaiser& Strauch 1979, Nickel 1983). Bei alledem darf nicht übersehen blei­ben, daß mit den vorgelegten Ergebnis­sen nicht mehr als deskriptive Anhalts­punkte zur Einordnung von Schüler­selbstkonzepten in den Kontext schuli­scher Verhaltensauffälligkeiten geleistet sind, die es in Anbetracht des gewählten methodischen Vorgehens und einge­denk der überprüften Stichprobe vor al­lem erst einmal zu replizieren gilt. Nur auf der Basis solcher Kreuzvalidierun­gen bieten sich weiterführende Untersu­chungen und erziehungs- bzw. unter­richtspraktische Ableitungen zulänglich fundiert an.

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50 HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1988