Buchbesprechungen
1976 bis heute. Der Teil III behandelt „gegenwärtige Theorien der Hilfsschulpädagogik”, wobei es im wesentlichen um zwei voneinander unterschiedene Richtungen der Rehabilitationspädagogik und der Sonderpädagogik geht bzw. um ihre Abgrenzung voneinander. Beide Positionen, so erfährt man von dem Autor, beziehen sich auf ein oberstes gemeinsames Ziel, nämlich die„allseitig entwickelte sozialistische Persönlichkeit”(S. 183). Die Unterschiede werden an einer Stelle folgendermaßen charakterisiert:„Die Rehabilitationspädagogik zielt in ihren Ansätzen im Wechselspiel mit dem gesellschaftlichen Prozeß auf eine soziale Überwindung der Schädigung. Dagegen erwartet die Sonderpädagogik aus dem gesellschaftlichen Fortschritt Daten für eine eingeschränkte lebenspraktisch orientierte Anlage der Bildung und Erziehung”(S. 184). Der Teil IV schließlich bildet wieder einen „methodologischen Rahmen”, diesmal als Nachbetrachtung. Dort wird der Frage der Vergleichbarkeit mit der westdeutschen Lernbehindertenpädagogik nachgegangen, jedoch im Kontext mit der vorliegenden Arbeit für nicht beantwortbar erklärt. Der Grund liegt darin, so der Autor, daß Vergleichskategorien erst noch entwickelt werden müssen(S. 201). Nach diesem Unterpunkt geht es um die„Verbindung zum wissenschaftlichen Ansatz”, konkret um die„Aufgabe ..., die Verbindung von der Hilfsschulpädagogik zu den allgemeinen pädagogischen Einschüben wieder herzustellen, deutlich zu machen, inwieweit die pädagogische Systematisierung zur Vertiefung und Problematisierung der Hilfsschulpädagogik beizutragen vermag”(S. 202). Den Abschluß dieses Rahmens bilden schließlich einige Ausführungen zum„Zusammenhang zwischen dem historischen und dem theoretischen Teil”. Ein recht ausführliches, nach verschiedenen Gesichtspunkten sortiertes Literaturverzeichnis, das auch Fundstellen zur zitierten Literatur enthält, schließt das Buch ab.
Der Verfasser lenkt mit seiner Untersuchung die Aufmerksamkeit auf ein von der westdeutschen Sonderpädagogik
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bislang tatsächlich vernachlässigtes Gebiet, welches, wie seine umfangreichen Literaturrecherchen zeigen, interessantes und verwertbares Wissen zu enthalten scheint. Für den Leser, der eine Vorliebe für Hintergrundinformationen besitzt(etwa, daß Wygotzski an Tuberkulose starb, und zwar in jungen Jahren(S. 44), daß Neuner als Präsident der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften für die zentrale Leitung der Forschung zuständig war(S. 49), daß Käthe Winde einst Leiterin der Sektion Defektologie am Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut war und später erste Chefredakteurin der Zeitschrift„Die Sonderschule”(S. 79), daß„im Gegensatz zu Bröse Baudisch Becker wissenschaftlich nicht verpflichtet(ist, da er in Halle ausgebildet wurde”(S. 188) etc. etc.), für den daran interessierten Leser also ist gut gesorgt. Aber auch wer Details dieser Art nicht so viel abzugewinnen vermag, wird in diesem Band viele anregende Informationen finden, die mitunter einen Vergleich zu westdeutschen sonderpädagogischen Problemen geradezu provozieren. Das betrifft zum Beispiel die Rolle empirischer Untersuchungen für die Theorienbildung, die ja auch bei uns ein zentrales Thema darstellt oder die offenbar auch in der ostdeutschen Behindertenpädagogik—vorzufindenden Bestrebungen, praktische Probleme über die Arbeit an Begriffen lösen zu wollen(vgl. etwa S. 104 ff.). Alles in allem also ein informatives Buch, dessen Lektüre schon deshalb empfohlen werden kann, weil es auf den Zugang zu einem von uns bisher zu wenig beachteten
sonderpädagogischen Gebiet verweist. Christoph Anstötz, Köln
Ross, A. O. und Petermann, F.(1987). Verhaltenstherapie mit Kindern und Jugendlichen. Methoden und Anwendungsgebiet. Stuttgart: Hippokrates, 230 Seiten mit 10 Abbildungen.
Nach der längst vergriffenen Darstellung der„Verhaltenstherapie im Kindesalter”
(1972) von Vera Kuhlen und Blackhaus & Silberman’s etwas veraltetem Text „Grundlagen und Methoden der Verhaltensmodifikation bei Kindern”(Original 1971), folgt endlich ein neuer Überblick über die verschiedenen verhaltenstherapeutischen Behandlungsmöglichkeiten von Störungen im Kindes- und Jugendalter.
Die 11 Kapitel sind in drei Themenbereiche untergliedert: Grundlagen, Behandlung spezieller Störungsbilder und verhaltenstherapeutische Ansätze in der Arbeit mit Familien. Verhaltenstherapie wird in einem modernen Sinne als Interventionsansatz zur Lösung von Verhaltens- und Erlebensproblemen betrachtet, der sich der Erkenntnisse der Psychologie bedient.„Eine erschöpfende Übersicht über die Grundlagen der Verhaltenstherapie käme einem Bericht über die gesamte Psychologie gleich.”(S. 16) Damit ist der enge Rahmen der alten Lerntheorien gesprengt, wenngleich diese weiterhin von praktischer Bedeutung sind und in der Darstellung der Grundlagen neben der sozialen Lerntheorie einen weiten Raum einnehmen. Eigene Abschnitte sind der Kontrolle des therapeutischen Prozesses und den Rechten des Kindes in der Therapie gewidmet. Die störungsbezogenen Kapitel, die den Hauptteil des Buches ausmachen(S. 43191), folgen einem einheitlichen Aufbau: Zuerst wird das Störungsbild erläutert und mitunter anhand eines Fallbeispiels verdeutlicht und dann werden die wichtigsten Interventionsmöglichkeiten beschrieben. Abschließend wird auf weiterführende Literatur verwiesen. Auf diese Weise wird in die Verhaltenstherapie bei sozialer Isolation, bei Sprachstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen und impulsivem Verhalten, bei Hyperaktivität, Einnässen und Einkoten, bei aggressivem Verhalten, bei Ängsten und Phobien und schließlich bei einer Reihe von wichtigen somatischen Störungen, wie etwa Magersucht, Bulimie, Übergewicht, Asthma und bei chronischen Krankheiten eingeführt. Der Leser erhält einen gut strukturierten Überblick mit einer Fülle von Literaturanregungen.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG 1/1988