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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Buchbesprechungen

Auflage dieses Standardbuchs der deut­schen KGeistigbehindertenpädagogik-Li­teratur ist der inhaltliche Aufbau in der jetzt erschienenen vierten Auflage im großen und ganzen unverändert geblie­ben. Der Text von rund 120 Seiten ist durch die Berücksichtigung aktueller Li­teratur und die Aussonderung älterer oder unpassend erscheinender Quellen modernisiert worden, wobei auch der neueren Entwicklung im schulprakti­schen Bereich Rechnung getragen wur­de. Die Liste der Bezugsquellen für Ar­beitsmittel im Anhang ist ebenfalls auf einen neuen Stand gebracht worden. Auf eine Angabe der jeweiligen dort er­hältlichen Medien wurde leider verzich­tet. In der dritten Auflage waren derarti­ge Informationen noch aufgeführt.

Die Darstellung verschiedener Konzep­tionen lebenspraktischer Erziehung und die Erläuterung methodischer Grundsät­ze, wie sie in der(auch internationalen) Literatur des Faches und in einschlägi­gen Richtlinien und Lehrplan-Empfeh­lungen niedergelegt sind, bilden im we­sentlichen die Einleitung zu dieser Ar­beit.Bei der lebenspraktischen Erzie­hung handelt es sich... so legt der Autor festum einen Bildungsprozeß, der alle Bereiche der Erziehung durch­laufen muß, beginnend mit Grundübun­gen im Elternhaus und im Kindergarten für Geistigbehinderte und fortführend in vertiefender Form in der Schule und in der Werkstatt für Behinderte(S. 15). Die beiden HauptkapitelÜbungen und Anregungen sowieSpezielle Übungen enthalten eine reiche Auswahl prakti­scher Hinweise, Diese beziehen sich auf einschlägig verwendbares Arbeits- und Spielmaterial sowie auf Grundübungen (Unterscheiden von Größen, Formen, Farben etc.), die später dann speziali­siert eingesetzt werden sollen: Zu zahl­reichen Unterrichts- und Erziehungspro­blemen in der Geistigbehindertenschule (An- und Ausziehen, Toilettieren, Zeit­gebrauch, Raumorientierung etc.) wer­den praxisbezogene Lösungsvorschläge gemacht.

Die hier beschriebenen Aufgaben sol­len keine Rezepte sein so kommentiert der Autor sein Buch,nach denen ein erfolgreicher Unterricht gestaltet wer­den kann(S. 2). Dem ließe sich entge­genhalten, daß es gewiß nicht ungünstig wäre, wenn man über derartige Rezepte verfügen würde, die uns zumindest in ähnlicher Weise einen Erfolg unserer Er­

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ziehungsbemühungen ermöglichen wür­den, wie wir das aus dem Gebiet der Me­dizin kennen. Dazu aber bedürfte es wis­senschaftlich gesicherter Erkenntnisse, die, wie auch diesem Buch zu entneh­men ist, auf breiter Front fehlen, so daß der Praktiker noch immer mehr oder weniger auf Erfahrungswissen zurückzu­greifen gezwungen ist. Aus diesem Grun­de wohl mag der Verfasser auf ein hö­hergestecktes Ziel seiner Arbeit verzich­tet haben, welches er bereits dann als er­füllt ansieht, wenn die in diesem Buch vorgelegten Aufgabenvorschläge als An­regungen verstanden werden(S.2). Es sind vor allem Eltern geistigbehinderter Kinder und Heranwachsender, die von diesem Buch angesprochen werden sol­len, aber auch Fachpädagogen in ent­sprechenden Instutionen.

Christoph Anstötz, Köln

Höss, H. u.a.(1987): Künstler aus Stet­ten. Menschen mit geistiger Behinderung stellen aus. Mit zahlreichen Abbildungen und Kurzbeiträgen von H. Höss, M. Klä­ger, A.D. Spellenberg, P. Schlaich, H. Gercke. 164 S. Stuttgart: K. Wittwer.

Dieser im wesentlichen als Dokumenta­tion künstlerischer Erzeugnisse geistigbe­hinderter Menschen gedachte Band ist im Zusammenhang mit einer Europä­ischen Wanderausstellung zu sehen, die derzeit unterwegs ist. Sie begann im Ja­nuar 1987 in Heidelberg und wird bis zu ihrem Abschluß im Dezember 1989 in Stuttgart in einer Reihe von Städten Eu­ropas zu sehen sein(Kontaktanschrift: Prof. H. Höss, Pädagogische Hochschule Heidelberg, Keplerstr. 87, 6900 Heidel­berg).

Neben einer reichen Auswahl drucktech­nisch wirklich gut wiedergegebener und mit Freude anzuschauender Künstleri­scher Arbeiten geistigbehinderter Ein­wohner aus dem dörflichen Gemeinwe­sen Stetten(im Remstal) enthält das Buch auch einige kurze Kommentare, die dem Leser das Verständnis der vor­gestellten Werke erleichtern sollen. In der Einführung von Gercke und dem ausführlicheren Beitrag von Kläger geht es um den Versuch, die Anerkennung künstlerischer Leistungen geistigbehin­derter Menschen unter verschiedenen Gesichtspunkten herzustellen und zu

rechtfertigen. Höss liefert dazu einige allgemeine anthropologische und päda­gogische Anmerkungen, die den derzeiti­gen Grundanschauungen der deutsch­sprachigen Geistigbehindertenpädagogik entnommen sind. Schlaich gibt einen knappen Überblick über die geschichtli­che Entwicklung und die heutige Situa­tion der Einrichtung Stetten. Die dort integriertekreative Werkstatt wird von Spellenberg vorgestellt; dazu gehö­ren u.a. Kurzbiographien einiger Künst­ler, deren Bilder in dem Buch abgedruckt sind.

Die einzelnen Beiträge enthalten noch einige weiterführende Literaturangaben. Diese könnten vor allem solchen Lesern eine Hilfe sein, die den Eindruck bekom­men haben, daß ihnen bei den vorge­stellten Bilddeutungen und Bewertun­gen Zugeständnisse an die Nachvollzieh­barkeit abverlangt werden, die die Gren­ze des Zumutbaren überschreiten. Nicht jeder Leser dieses wohl auch für den künstlerischen Laien geschriebenen Bu­ches wird bereit sein, sich von einem wissenschaftlich klingenden Jargon be­eindrucken und durch anspruchsvollen Tiefsinn von seinen Fragen ablenken zu lassen, zu denen diese Dokumentation insgesamt und zweifellos motiviert. Viel­leicht hätte man dem begrüßenswerten Anliegen des Buches noch wirkungsvol­ler Rechnung tragen können, indem bei­spielsweise den gelungenen Werken gei­stigbehinderter Künstler auch einige tat­sächlich mißlungene gegenübergestellt worden wären. Dadurch wäre nämlich die geltend gemachte objektive, d.h. oh­neMitleidsbonus(S. 20) vorgenom­mene Anwendung der maßgeblichen künstlerischen Kriterien,-die selbst ja be­kanntlich keinen objektiven Charakter beanspruchen können, sicher überzeu­gender ausgefallen. Aber auch ohne die Klärung dieser möglicherweise sehr wich­tigen Fragen macht es einfach Vergnü­gen, viele dieser Bilder selbst in einem so kleinen Format zu betrachten; bei den Originalen der Ausstellung dürfte das erst recht der Fall sein. Das zu unterstüt­zende Ziel dieses Buches im Zusammen­hang mit der europaweiten Wanderaus­stellung bleibt ungeschmälert; hier wird einer von vielen möglichen Wegen be­schritten, die Existenz geistigbehinder­ter Menschen stärker als bisher in das öf­fentliche Bewußtsein zu heben, um so dem Fernziel der sozialen Integration ein Stück näher zu kommen.

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 2, 1988