Beate Minsel& Walter Quast- Elterntraining für Eltern von Kindern mit Zu-Bett-Geh-Problemen
da bei ihnen eine niedrige Aufwachschwelle angenommen wird. Wichtig ist, daß die Eltern dieser individuellen Schlafentwicklung ihrer Kinder Rechnung tragen. Es zeigt sich jedoch, daß Eltern das Schlafverhalten ihrer Kinder oft falsch einschätzen(Basler, Largo& Molinari 1980). Förster(1967) fand, daß Eltern den Schlafbedarf ihrer Kinder häufig überschätzen und daraus resultierend ein zu frühes Einschlafen von den Kindern erwarten.
In einer Längsschnittstudie von Basler et al.(1980) an 320 Kindern im Alter zwischen 6 Monaten und 5 Jahren wurde festgestellt, daß die Gesamtschlafdauer von 14,8 Stunden bei den halbjährigen Kindern über 15,1 Stunden bei den einjährigen kontinuierlich abnimmt, bis sie bei den fünfjährigen eine Dauer von 12,0 Stunden erreicht. Dabei ändert sich die Dauer des Nachtschlafs nur geringfügig, der Tagschlaf nimmt bedeutsam ab. Der Schlafbedarf der einzelnen Kinder ist unterschiedlich. Die Aufwachzeit ist um so früher, je früher die Einschlafzeit ist, außerdem besteht ein negativer Zusammenhang zwischen Tages-und Nachtschlaf, da sich beide gegenseitig kompensieren. Durchschlafstörungen in der Nacht lassen sich daher auch durch eine Reduktion des Tagschlafs beheben.
Aus einer mehr psychologischen Perspektive lassen sich die Störungen kindlichen Schlafverhaltens mit Basler et al. (1980) folgendermaße gliedern:
1. Verzögertes Einschlafen(längeres Wachliegen vor dem Einschlafen),
2. Einschlafstörung(das Wachsein des Kindes wird von den Eltern als Störung empfunden, z.B. wenn das Kind schreit oder aus dem Zimmer kommt),
3. nächtliches Erwachen(Erwachen des Kindes während der Schlafzeit der Eltern) und
4. Durchschlafstörung(das nächtliche Erwachen des Kindes wird von den Eltern als Störung empfunden, z.B. wenn das Kind zu trinken verlangt oder in das Bett der Eltern kommt).
Nach den Untersuchungen von Bühler& Largo(1981) weisen 16 bis 23 Prozent
der Kinder zwischen 2 und 7 Jahren Ein
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schlafschwierigkeiten auf. Die Häufigkeit der Einschlafschwierigkeiten nimmt zwischen 8 und 10 Jahren bis zu 40 bis 50 Prozent zu. Nächtliches Erwachen zeigt sich bis zum 4. Lebensjahr bei 30 bis 40 Prozent der Kinder und zwischen dem 4. und 6. Lebensjahr bei rund 50 Prozent der Kinder. Danach ist eine Abnahme des nächtlichen Erwachens zu beobachten. Bei Zehnjährigen beträgt die Häufigkeit nur noch 25 Prozent. Von einer Durchschlafstörung kann man allerdings erst dann sprechen, wenn die Reaktionen des Kindes und/oder der Eltern das nächtliche Erwachen zu einer Störung machen. Das gleiche gilt für die Einschlafschwierigkeiten. Erst wenn das Kind aus dem Wachliegen ein Fehlverhalten entwickelt und die Eltern nicht in der Lage sind, dem Fehlverhalten zu begegnen, handelt es sich um eine Störung. Hieraus folgt, daß bei der Behandlung von Einschlaf- und Durchschlafstörungen das Verhalten des Kindes und der Familie sowie die Information der Eltern im Mittelpunkt stehen sollten. Das Wachliegen vor dem Einschlafen und das nächtliche Erwachen können zum normalen Schlafverhalten gehören, sich allerdings auch zu einer Einschlafbzw. Durchschlafstörung entwickeln. So ist beispielsweise im Kleinkindalter oft eine typische Angst vor dem Einschlafen zu beobachten(auch bei nicht erhöhter allgemeiner Ängstlichkeit), die von dem negativen Erleben der Trennung von den Eltern geprägt ist. Dazu„tritt aufgrund der noch nicht ausreichenden Unterscheidungsfähigkeit zwischen Phantasie und Wirklichkeit, des im Schlaf verminderten Zeitgefühls und der beim Einschlafen in der Dunkelheit nachlassenden Ich-Kontrolle eine gewisse Ängstlichkeit, die sich zu Verlustängsten steigern kann“*(Schmidt 1984, 1375). Verstärkt wird diese Ängstlichkeit durch familiäre Spannungen, Lärm und äußere Ereignisse sowie eine ungewohnte Umgebung und für das Kind unverständliche Vorgänge.
Solchen entwicklungs- und situationsbedingten Schlafstörungen kann durch den Aufbau von_Einschlafgewohnheiten (gleichmäßiger Ablauf, feste Schlafzeit) und Rituale(z.B. das Mitnehmen ver
trauter Objekte, die die abendliche Trennung begleiten) und äußere Maßnahmen (z.B. Lichtanlassen, offene Tür usw.), die die Angst vermindern, begegnet werden. Weiterhin wirkt das Daumenlutschen beruhigend und schlaffördernd. Ein störungsfreies Einschlafen wird auch durch kurzfristige Abwesenheit der Eltern und durch eingeübtes selbständiges Verhalten des Kindes begünstigt(Schmidt 1984).
Bei vielen entwicklungsbedingten Schlafstörungen oder bei Fehleinschätzungen des Schlafverhaltens seitens der Eltern ist nur selten eine direkte Behandlung des Kindes erforderlich. Es genügt oft eine entsprechende Beratung der Eltern über den normalen Schlafvorgang und den diesen begünstigenden Faktoren. Largo& Hunziker(1984) konnten zeigen, daß allein durch die Aufzeichnung und Kalenderführung über Häufigkeit und Dauer der Schlafstörung eine realistischere Einschätzung angemessenen Schlafverhaltens bei den Eltern erzielt wurde und bereits 38 Prozent der„Störungen“ behoben wurden. Schlafstörungen, die einen hohen Anteil an erlerntem Verhalten aufweisen, können gut mit verhaltenstherapeutischen Maßnahmen behandelt werden. Bei älteren Kindern kommen Maßnahmen wie Autosuggestion, Entspannungstraining oder autogenes Training in Frage, bei jüngeren Kindern Maßnahmen, die auf Veränderung der kognitiven und situativen Bedingungen der Schlafenszeit abzielen. Das Weinen und Wiederaufstehen von Kindern, die bereits ins Bett gebracht worden sind, wird auch häufig mit Time-out behandelt(Patterson& Gullion 1968; Christophersen, Barrish, Barrish& Christophersen 1984; Williams 1959). Für alle diese Maßnahmen, besonders bei jüngeren Kindern, sind die Eltern die Mediatoren der Wahl, da sie durch ihr Verhalten ganz entscheidend dazu beitragen können, das beginnende Fehlverhalten abzustellen.
Insgesamt gesehen scheint die Therapie von Schlafstörungen eine Domäne der Verhaltenstherapie zu sein. Erst langsam werden Ansätze entwickelt, die die Aspekte der Gesamtpersönlichkeit oder die Art des individuellen Tagesablaufs in
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988