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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Beate Minsel& Walter Quast- Elterntraining für Eltern von Kindern mit Zu-Bett-Geh-Problemen

die Therapie mit einbeziehen(Lund 1985).

Begründung der Auswahl von Schlafstörungen für ein Elterntrainingsprogramm

Bei den Ein- und Durchschlafstörungen handelt es sich, wie im vorausgehenden Abschnitt gezeigt, um relativ häufige wenn auch von den Betroffenen als eher mäßig belastend eingeschätzte Störun­gen. Wir nehmen aber an, daß sie als Frühsymptome späterer ernsterer Stö­rungen angesehen werden können. Diese später zu erwartenden Störungen haben nicht nur etwas mit dem Schlafverhalten im Sinne einer Habituierung des Fehl­verhaltens des Kindes zu tun, sondern vor allem mit dem Interaktionsgesche­hen innerhalb der Familie. In einer Be­fragung an 44 Eltern(paaren) von Kin­dergartenkindern, die als Vorstudie zu dieser Arbeit durchgeführt wurde, zu Dauer, Häufigkeit, Intensität und Erst­auftreten von Störungen im Zusammen­hang mit dem Schlafverhalten des Kin­des sowie den gefühlsmäßigen Auswir­kungen des Problemverhaltens auf die Eltern und zu den bisherigen Bemühun­gen, dem Störverhalten zu begegnen, wurden die unten aufgeführten Unter­schiede zwischen Eltern mit(n= 20) und Eltern ohne(n= 24) zu-Bett-Geh­Probleme der Kinder deutlich. Die sta­tistische Auswertung wurde nur für die Untergruppe der an einem Training In­teressierten vorgenommen. Dies waren 10 Mütter mit Zu-Bett-Geh-Problemen (im folgenden mit ZBGP+ bezeichnet) und 12 Mütter ohne Zu-Bett-Geh-Proble­me(im folgenden mit ZBGP- bezeich­net). Die Signifikanzangaben beziehen sich auf die zweiseitige Testung.

In der ZGBP+-Gruppe erledigen die Müt­ter häufiger Hausarbeiten, Besorgungen oder Geschäftliches während der Zu-Bett­Geh-Zeit des Kindes(durchschnittlich an 2.8 Tagen pro Woche, ZBGP--Mütter an 0.75 Tagen pro Woche, Wilcoxon­Test n.s.). Die Kinder spielen kurz vor dem Zubettgehen noch sehr intensiv, was zu Aufgedrehtheit führt(Vierfelder­test p<.05). Das Zubettgehen findet in einer insgesamt unruhigen Atmosphäre

statt(Vierfeldertest p<.02). Vor allem das fehlende Setzen von Grenzen und Konsequenzen seitens der Eltern scheint mit problematischem Verhalten der Kin­der vor dem Einschlafen zusammenzu­hängen(freie Antworten: Nachgeben der Eltern, Zuwendung bei problemati­schem Verhalten, inkonsistentes Erzie­herverhalten). Kinder mit Durchschlaf­störungen schlafen häufiger anderswo als in ihrem eigenen Bett ein(Vierfelder­test p<.10). Als irrelevant erwies sich die Größe der Wohnung(Durchschnitts­größe über 100 qm), alle Wohungen wa­ren ruhig. Ob die Kinder allein oder mit Geschwistern in einem Zimmer schliefen, ob sie von den Eltern als trotzig, unge­horsam, aggressiv beschrieben wurden, ob sie ans Bett begleitet wurden oder ob das Zu-Bett-Gehen immer auf die glei­che Weise ablief, zeigte keinen Zusam­menhang mit Zu-Bett-Geh-Problemen. Die Befunde weisen darauf hin, daß die Einschlafstörungen als ein Frühsymptom gestörter Eltern-Kind-Interaktion inter­pretiert werden können. Die ungünstige Gestaltung der Zu-Bett-Geh-Situation trägt zum Fehlverhalten des Kindes bei. Das Fehlverhalten des Kindes mag zu negativen Emotionen bei den Eltern füh­ren, das Scheitern der Bemühungen, die präsequenten und konsequenten Bedin­gungen zu verändern, zu Hilflosigkeits­gefühlen und wenig partnerschaftlicher Kommunikation und letzere wiederum zu einem insgesamt verschlechterten Fa­milienklima.

Ein Elterntrainingsprogramm, das neben Informationen zum Schlafverhalten von Kindern auch Übungen zur Kommuni­kation und zum kKonsistenten Erzie­hungsverhalten bereitstellt, kann dem­nach als eine primär-präventive Maßnah­me im Sinne Caplans(1964) angesehen werden. Nach Brandtstädter(1982) steht bei der(primären) Prävention im Ge­gensatz zur korrektiven Intervention bzw. sekundären Prävention nicht die Diagnose, sondern die Prognose einer Problemsituation am Anfang. D.h. die bestehende Schlafstörung des Kindes stellt noch kein Problem im engeren Sin­ne dar(die Eltern haben z.B. noch keine fachliche Hilfe deswegen in Anspruch genommen), aber aufgrund des zu be­

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988

obachtenden Verhaltens bei Kindern und Eltern werden zukünftige Probleme prognostiziert. Weiterhin handelt es sich hinsichtlich der Steuerungsmaßnahme um eine aktive Prävention: Die elterli­che Umwelt des Kindes wird verändert, um negativ bewerteten entwicklungspsy­chologischen Konsequenzen vorzubeu­gen. Insofern kann unser Ansatz auch als ein primär-präventiver Mediatorenan­satz bezeichnet werden.

Fragestellungen und Hypothesen

Im folgenden sprechen wir nur noch von Zu-Bett-Geh-Problemen und fassen dar­unter alle Auffälligkeiten beim Ein- und Durchschlafen der Kinder.

In der vorliegenden Untersuchung soll­ten folgende Fragestellungen untersucht werden:

1. Zeigen sich bei Eltern, die über Zu­Bett-Geh-Probleme ihrer Kinder be­richten(ZBGP+), Auffälligkeiten im Interaktions- und Kommunikations­verhalten gegenüber Eltern, deren Kinder keine Zu-Bett-Geh-Probleme haben(ZBGP-)?

2. Lassen sich durch ein Elterntraining bei den Eltern Veränderungen in den Erziehungseinstellungen und im Kom­munikationsverhalten und bei den Kindern Veränderungen des Zu-Bett­Geh-Verhaltens und der Schlafstörun­gen beobachten?

Unsere Hypothesen waren:

1. ZBGP+-Personen zeigen vor dem Trai­ning inkonsistentere, autoritär rigide­dere und weniger permissive Erzie­hungseinstellungen als ZGBP--Perso­nen. Ersteren gelingt es in schwäche­rem Ausmaß als letzteren, aktives Zu­hören und Ich-Botschaften im Sinne von Gordon(1972) in der Kommuni­kation mit dem Kind zu verwirkli­chen.

2. Nach dem Elterntraining werden fol­gende Veränderungen bei allen Eltern erwartet: Die Mittelwerte in Inkonsi­stenz und autoritärer Rigidität wer­den niedriger, der Mittelwert in Per­

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