5. die Anzahl störender Verhaltensweisen vom ersten Einschlafen bis zum nächsten Morgen,
6. je eine Einschätzung der Eltern, als wie störend sie das Verhalten des Kindes erlebt haben:
a) vor dem Zu-Bett-Gehen, b) vor dem Einschlafen, c) während der Nacht.
Für alle acht Maße wurden zweifaktorielle Varianzanalysen(Treatment x Meßzeitpunkt) gerechnet. Keiner der Indices erreichte das Signifikanzniveau von 5%. Das liegt nicht zuletzt daran, daß die Störungsindices bereits vor dem Training sehr niedrig lagen. Dies steht in gewissem Widerspruch zu der Tatsache, daß die Eltern sich wegen Zu-Bett-Gehproblemen beim Training angemeldet hatten. Der Widerspruch könnte dadurch erklärt werden, daß entweder der Fragebogen nicht valide ist oder aber die Beobachtung selbst die Situation bereits verändert hat. Auf jeden Fall dürften die Mütter wenig Zeit gehabt haben, z.B. Geschäftliches zu erledigen oder zu telefonieren, wenn sie gleichzeitig noch beobachten und protokollieren sollten. Als Tendenzen(p<.10) lassen sich immerhin folgende beiden Ergebnisse interpretieren: Die Anzahl störender Verhaltensweisen während der Nacht(Index 5) nimmt für beide Gruppen vom Vor- zum Nachtest ab(Trainingsgruppe: Vortest 1.25, Nachtest 0.55; Wartegruppe: Vortest 0.46, Nachtest 0.26). Bedenkt man, daß die einzelnen Scores Werte zwischen 0 und 3 annehmen konnten, so kann man wohl kaum von Testregression sprechen, sondern muß vielmehr von einem Testeffekt ausgehen.
Für die Einschätzung der Eltern, wie störend sich das Kind vor dem Einschlafen verhält(Index 6b) ergab sich eine Wechselwirkung zwischen Treatment und Meßzeitpunkt. Bei etwa gleichen Ausgangswerten verändert sich der Mittelwert der Trainingsgruppe um eine halbe Standardabweichung in Richtung „weniger störend‘, bei den Wartegruppeneltern ist der entgegengesetzte Effekt zu beobachten. Die veränderte Einstellung der Eltern bei(jedenfalls anhand der erfaßten Kategorien) unverän
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Beate Minsel& Walter Quast- Elterntraining für Eltern von Kindern mit Zu-Bett-Geh-Problemen
dertem Verhalten des Kindes ist als Trainingseffekt zu deuten und kann als Erhöhung der elterlichen Toleranz und Akzeptanz dem Kind gegenüber aufgefaßt werden. Demgegenüber haben möglicherweise die Wartegruppeneltern eine zunehmende Erwartung an den bevorstehenden Kurs, in dem ihre Schwierigkeiten bearbeitet werden.
Diskussion
In unserer theoretischen Ableitung hatten wir formuliert, daß Ein- und Durchschlafstörungen bei Kindern ein Frühsymptom gestörter Familienbeziehungen darstellen, und dementsprechend hatten wir die Hypothese aufgestellt, daß die Eltern dieser Kinder inkonsistente, autoritär-rigidere und weniger permissive Erziehungseinstellungen haben und weniger partnerschaftlich mit ihren Kindern kommunizieren, d.h. weniger Aktives Zuhören und Ich-Botschaften verwirklichen. Diese Hypothese konnte teilweise bestätigt werden, nämlich hinsichtlich der Inkonsistenz und der Kommunikationsvariablen. Außerdem erwies sich diese Gruppe gegenüber der ZBGP--Gruppe als teilweise veränderungsresistenter: Sie erreichte nach dem Training im Schnitt niedrigere Skalenwerte in Aktivem Zuhören und IchBotschaften. Daß weniger belastete Personen von präventiven Trainings mehr profitieren, zeigen viele Ergebnisse in der Literatur(s. z.B. L’Abate 1981). Die erwarteten Trainingseffekte zeigten sich nur in den Kommunikationsvariablen. Hier ist der Lernerfolg als sehr gut zu bezeichnen. Vor allem die ZBGP--Eltern haben in beiden Skalen fast die höchstmöglichen Werte erreicht. Die hohen Werte zeigen an, daß die Teilnehmer nicht nur in der Lage sind, nahezu allen Kriterien genügende Ich-Botschaften und Aktives Zuhören-Äußerungen zu formulieren, sondern auch, sie jeweils situationsspezifisch angemessen auszuwählen.
Daß sich die Werte in den Einstellungsskalen nicht wesentlich verändert haben, läßt sich damit erklären, daß diese als
stabile trait-Maße wenig veränderungssensitiv sind und daß im Training nicht an den Einstellungen direkt gearbeitet wurde. Eine Veränderung der Selbsteinschätzungskomponente der Einstellung ist möglicherweise erst auf längere Sicht, nachdem die Teilnehmer Erfahrungen mit ihrem veränderten Verhalten gemacht haben, zu erwarten.
Die letzte Hypothese besagte, daß sich das Symptomverhalten bei den Kindern — nämlich die Zu-Bett-Geh-Probleme— infolge des Trainings abschwächt. Diese Hypothese kann so nicht aufrechterhalten werden. Anhand der über fünf Tage aggregierten Beobachtungen der Eltern im Zeitraum vom ersten Ankündigen des Zu-Bett-Gehens bis zum nächsten Morgen zeigte sich, daß das Verhalten der Kinder schon vor dem Training als wenig störend eingeschätzt wurde, infolgedessen konnten sich hier kaum Verbesserungen ergeben. Ein ganz entsprechendes Ergebnis fanden Largo& Hunziker (1984). Damit haben wir das grundsätzliche Problem der primären Prävention vor uns, daß nämlich nicht die Diagnose, sondern die Prognose einer Problemsituation am Anfang steht(Brandtstädter 1982). Eine sinnvolle Überprüfung der Hypothese wäre demnach nur möglich, wenn man sowohl die Warte- als auch die Trainingsgruppe über einen längeren Zeitraum beobachten würde: Bei der Wartegruppe müßten sich dann Einschlaf- und Durchschlafstörungen einstellen, bei der Trainingsgruppe nicht. Diese Überprüfung war aber im Rahmen unserer Untersuchung nicht möglich, da die Wartegruppe nach den Sommerferien 1985 ebenfalls ein Training erhielt. Nach unseren Ergebnissen läßt sich folgende neue Hypothese formulieren: Eltern von Vorschulkindern, die Zu-BettGeh-Probleme mit ihren Kindern haben und motiviert sind, an einem Elterntraining teilzunehmen, sind als eine Risikogruppe für beginnende gestörte Familienbeziehungen anzusehen. Der Beginn der Störung zeigt sich darin, daß die Eltern sich selbst als inkonsistenter einschätzen und daß sie in der verbalen Kommunikation mit dem Kind weniger Partnerschaftlichkeit verwirklichen als vergleichbare Eltern ohne Zu-Bett-Geh
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988