Claudia Köhle& Peter Köhle- Präventiv orientiertes Elterntraining— Evaluation zweier Kursprogramme
(Meyer-Probst et al. 1985, 94/95) empfehlen als Antwort auf diese Frage zunächst Erziehungsberatung der Eltern und Pädagogen, Ausgleichsklassen und medikamentöse Therapie. Zur Verbesserung der Verhaltenssteuerung wird daneben auf gezieltere Interventionen verwiesen wie spezielle Konzentrationstrainingsprogramme, Empathie-Training der Kinder und„Befähigung der Eltern zur konfliktlösenden und-vermeidenden Gesprächsführung“(S. 95).
Wesentliche und trainingsfähige Kompetenzen interpersoneller Kommunikation und Kooperation des Familienlebens werden im Elterntraining von Gordon (1972) aufgegriffen, dem wir in den Trainingsinhalten in etwa folgen. Der Geltungsanspruch wurde von uns auf bestimmte kritische Anforderungssituationen reduziert. Als Erweiterung ist eine entwicklungspsychologische Kenntnisvermittlung anzusehen(Köhle& Köhle 1982, 1986). Insgesamt reiht sich unser Ansatz in das Mediatorenkonzept(vgl. Tharp& Wetzel 1975; Perrez et al. 1985) ein.
Besonderheiten bei der Evalution präventiven Elterntrainings
Summative Evaluation belegt in einer Legitimationsfunktion die Wirksamkeit der Trainingsprozeduren, formative Evaluation kontrolliert die Lernbedingungen im Sinne einer Optimierungsfunktion.
Eine Effektivitätsmessung durch Prüfung von Unterschiedshypothesen kann bei primärer Intention im Grunde nur indirekt erfolgen. Sie ist vorwiegend daraufhin anzulegen, in welcher Annäherung theoriegeleitete und operationalisierte Zielkriterien des Verhaltens und deren Transfer in die Realsituation erreicht werden. Wir nehmen an, daß auch eine zu unkritische Orientierung an den Evaluationskriterien in der Psychotherapieforschung zu der in den letzten Jahren beklagten„Abwendung von den Elterntrainings‘‘(Heekerens 1986, 399) geführt hat. In der internationalen Lite
ratur wurden und werden immer umfassendere formale und lebensfremde Forderungen auch an die Evaluation präventiven Elterntrainings gestellt(vgl. Rinn & Markle 1977; Heekerens 1986). Die Folgen dieses Wissenschaft-Praxis-Zerwürfnisses artikulierten bereits Lüthi& Vuille(1980, 414):„Bei der Planung stellt sich die Aufgabe, ein höchstmögliches Maß an Realitätsnähe mit größtmöglicher Wissenschaftlichkeit zu verbinden. Da der Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet noch gering ist, sind Improvisationen nicht zu vermeiden und damit läuft ein derartiges Projekt Gefahr, zwischen den Stühlen des praktisch Realisierbaren und den Bänken der Wissenschaftlichkeit hindurchzufallen. Dies ist wohl der Hauptgrund, weshalb kontrollierte Studien im Problemfeld der prophylaktischen Familienhilfe eine Rarität darstellen.‘ Interessenten für präventives Elterntraining sind weder so verfügbar wie Versuchskaninchen noch haben sie die Geduld abhängiger Psychologiestudenten. Teilnehmer präventiven Elterntrainings reagieren mit hohen Ausfallquoten gegen Lebensfremdheit, wodurch die interne Validität einer Evaluation fraglich wird. In den publizierten Studien schwankt die Ausfallquote zwischen 10 und 39 Prozent(Heekerens 1986, 410).
Der Einsatz von Evaluationamaterialien ist auf ein Maß zu beschränken, das weder die Teilnehmermotivation noch die Teilnehmerkonstanz beeinträchtigt, weil sonst die Untersuchung- insgesamt gefährdet wäre.(Dieses Optimierungsproblem stellt sich auch für den Einbezug von Selbst-Erfahrung in die Kursinhalte, soll aber an anderer Stelle diskutiert werden). Ein Hausbesuch vor Trainingsbeginn, der der Beziehungsaufnahme und evaluativen Belangen gilt, ist nach unserer Erfahrung geeignet, die Anzahl vorzeitig ausscheidender Eltern zu reduzieren(vgl. Eller& Winkelmann 1977, 271).
Versuchspläne mit Fremd- bzw. Eigenkontrollgruppen und Mehrpunkterhebungen aus der Psychotherapieforschung sind prinzipiell auf die Evaluation präventiven Elterntrainings übertragbar. Da in diesen Trainingskursen keine Effekte
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988
von Spontanremissionen zu kontrollieren sind und bei der anforderungsbezogenen Ausbildung pädagogisch-psychologischen Könnens der Eltern ausgeschlossen werden kann, daß positive Posttest-Effekte auf Bedingungen zurückgehen, die außerhalb des Curriculums der Trainingskurse liegen, kommen zunächst auch Zwei-Punkt-Erhebungen mit ihrer hohen Praxisverträglichkeit und Ökonomie in Betracht. In einer zweiten Etappe sollte es dann nicht mehr darum gehen, welche Lerngewinne bei welcher didaktischen Organisation eingetreten sind, sondern auch darum, wie dauerhaft diese sind. Die Analyse der Stabilität von erzielten Trainingseffekten stellt zur Zeit noch ein „weithin wenig bewältigtes Problem dar“(Kessel 1984, 15). Zusammenfassend wäre zu sagen, daß der Evaluierende von Elterntrainings divergierende Interessenlagen auszubalancieren hat. Das gilt für die Interessenkollision zwischen den Evaluationserfordernissen nach Standardisierung des Programms und Teilnehmerwünschen nach Aktualität, Modifikation und Variabilität. So könnte etwa jede zweite Veranstaltung quasi als Selbsthilfegruppe Ohne Trainer laufen, um aktuellen Anliegen der Eltern zu genügen. Und es gilt für die Divergenz zwischen den Anforderungen nach Evaluationspräzision und dem Erfordernis, zwischen Kursleiter und Teilnehmern positive soziale Beziehungen aufzubauen und zu erhalten. Man muß eine fast direkte Proportionalität von Anzahl eingesetzter Evaluationsverfahren und Fluktuationsrate der Teilnehmer kalkulieren. Der Einsatz konzeptorientierter Methoden hat sich bewährt, weil diese als nathlose Verbindung von Orientierung, Training und Evaluation, also„zum Kurs gehörig“, erlebt werden. Versuchskaninchensituation und reaktive Meßverfälschung werden vermieden.
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