Claudia Köhle& Peter Köhle- Präventiv orientiertes Elterntraining— Evaluation zweier Kursprogramme
Kritik vorliegender Evaluation des Gordon-Elterntrainings
Inspiziert man US-amerikanische Evaluationen, die sich in den Arbeiten von Rinn& Markle(1977), Heekerens(1986) und internen Materialien der„Effectiveness Training Incorporated‘“(Anonym 1980) aufgelistet finden, so ist die Inkongruenz von realen Trainingsinhalten und dem Datenniveau eingesetzter Evaluationsmethoden augenfällig. Es entsteht der Eindruck, daß die Variablenvalidität auf der Seite der abhängigen Variablen durch die Verwendung von Verfahren mit recht unterschiedlichem Datenniveau beeinträchtigt wird. Im Grunde werden die primär trainierten Verhaltensweisen bzw. Aktionsprogramme „Aktives Zuhören“,„Ich-Botschaften“‘ und„Niederlage-lose-Methode*‘‘ nur auf qualitativem Niveau evaluiert. Ihre Modifikation wird nur pauschal vorausgesetzt(vgl. Gordon 1977, 1978). Dagegen werden die sekundär möglichen Veränderungen im Bereich Persönlichkeit/ Einstellung durch Verfahren, die schon in der Psychotherapie- bzw. Einstellungsforschung entwickelt wurden, erfaßt, deren hohes metrisches Niveau nicht über zweifelhafte Validität hinwegtäuschen kann(vgl. Fritz 1974). Die so gestiftete Verwirrung artikulierte Greitemeyer(1977, 65):„Es ist mir bisher nicht gelungen, ein Verfahren zu entwickeln, das als Erfolgskontrolle dienen könnte.“
Die zu vermutende Sucheinengung dürfte den explizit von Gordon(1977) ausgewiesenen Trainingszielen geschuldet sein, die von einem in Bezug zu den realen Trainingsinhalten weit überzogenen Geltungsbereich zeugen. Diese Ziele können nur als„ziemlich vage“(Rinn& Markle 1977, 96) qualifiziert werden und finden eine extreme Ilustrierung in folgendem psychologisierenden GordonPostulat:„Wenn ich Recht habe, besteht durchaus Anlaß zum Optimismus. Dann ist die Möglichkeit gar nicht so von der Hand zu weisen, daß wir unsere Gesellschaft von all der Gewalt, dem Vandalismus, der Rachsucht und Brutalität befreien können, die heute ihr Bild so sehr bestimmen. Jenes Verhalten, das wir die
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Unmenschlichkeit des Menschen gegenüber dem Menschen genannt haben, könnte in hohem Maße abgebaut werden, wenn einem möglichst großen Personenkreis diese menschlichen Methoden zur Konfliktbewältigung vermittelt werden könnten“(1978, 180).
Neben einer realistischen Reformulierung der Ziele bedarf das Gordon-Elterntraining einer Kriteriumsorientierten (konzept-, trainingsziel- bzw. lehrzielorientierten) Evaluation(vgl. Klauer 1987), welche die angestrebte Verhaltensmodifikation sofort nach Beendigung des Trainings, nach einem zeitlichen Intervall als Stabilitätsnachweis und in Form von Transferanalysen auf metrisch akzeptablen Niveau kontrolliert (vgl. Fischer 1979, 217). Parallel und unabhängig von uns wurde dieser Weg im deutschsprachigen Raum auch von Witte et al.(1983) beschritten.
Trainingsziele Trainingskurs 1(Köhle, P. 1980)
Allgemeines Kursziel ist neben der Herausbildung bzw. Entwicklung von„Verständnis für den heranwachsenden Jugendlichen“ die Befähigung der Kursteilnehmer zum helfenden Gespräch bei außerfamiliär verursachter emotionaler Beanspruchung.
— Erkennen und angemessenes Beachten von Erlebnisaspekten des heranwachsenden Jugendlichen.
— Entwicklung der Fähigkeit, entwicklungsspezifische Verhaltensweisen des heranwachsenden Jugendlichen auf der Grundlage entsprechender biologischer, psychologischer und soziologischer Kenntnisse zu erkennen bzw. zu werten, was letztlich zu einer Zunahme der subjektiv erlebten Verständnisfähigkeit führen soll.
— Einsicht, daß verständnisvolles Verhalten konstruktive Folgen für das Wohlbefinden und die Persönlichkeitsentwicklung des heranwachsenden Jugendlichen sowie für die Weiterentwicklung der Eltern-Kind-Beziehung hat.
— Kritische Überprüfung eigener, insbesondere verbaler Verhaltensäußerungen im Hinblick auf hilfreich kommuniziertes Verständnis.
— Entwicklung der Fähigkeit, Verständnis in hilfreicher Weise, insbesondere verbal, zu kommunizieren, um bei außerfamiliär verursachter emotionaler Beanspruchung affektive Aufschaukelungen zu vermeiden und durch verständnisvolle Gesprächsführung günstige Bedingungen für eine psychophysiologische Entlastung zu schaffen.
— Zunahme der subjektiv erlebten Sicherheit des elterlichen Erziehungs-/ Führungsverhaltens in 0.g. Anforderungssituationen.
Trainingskurs 2(Köhle, C. 1985)
Allgemeines Kursziel ist neben der Herausbildung bzw. Entwicklung von Verständnis für den heranwachsenden Jugendlichen“ die Befähigung zum partnerschaftlichen(persönlichkeits- und gemeinschaftsfördernden) Umgang mit innerfamiliären Interessenunterschieden.
— Erkennen und Beachten von Kommunikationsebenen in der sozialen Wechselwirkung, insbesondere bei zu klärenden vermeintlichen bzw. realen Interessenunterschieden.
— Entwicklung der Fähigkeit, entwicklungsspezifische Verhaltensweisen des heranwachsenden Jugendlichen auf der Grundlage entsprechender biologischer, psychologischer und soziologischer Kenntnisse zu erkennen bzw. zu werten, was letztlich zu einer Zunahme subjektiv erlebter Verständnisfähigkeit führen soll.
— Einsicht, daß partnerschaftlicher Um
gang mit innerfamiliären Interessenunterschieden konstruktive Folgen für das Wohlbefinden, die Persönlichkeitsentwicklung, die Stabilität der Familie sowie für die Weiterentwicklung der Eltern-Kind-Beziehung hat.
— Entwicklung der Fähigkeit, eigene,
insbesondere verbale Verhaltensäußerungen kritisch im Hinblick auf angemessen kommunizierte konstruktive Selbstöffnung zu überprüfen.
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988