Gerhard W. Lauth& Peter F. Schlottke+
strukturierten Interventionsvorgaben bei zunehmender Eigenverantwortlichkeit. Um beurteilen zu können, inwiefern bei der Förderung kognitiver Fertigkeiten lernbehinderter Kinder eine intermediäre Unterstützung hilfreich sein könnte, muß das mögliche Interventionsrationale geklärt werden.
Dies führt zu folgenden Fragen:
1. Welche Sichtweise von Lernbehinderung liegt den Änderungsabsichten zugrunde?
2. Welche Interventionsziele resultieren daraus?
3. Welche Interventionsschwerpunkte sind zu differenzieren?
4. Über welches Bedingungs- und Änderungswissen sollte der Mediator verfügen, um i.S. des ausgewählten Interventionsrationales gezielt fördern zu können?
. Wie könnte/sollte diese Förderung aussehen? Gibt es(durchgängige) Optimierungsparameter?
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Welche Sichtweise von Lernbehinderung ist für eine differentielle Intervention wesentlich?
Vor dem Hintergrund eines handlungsund kognitionstheoretischen Zugangs sind bei lernbehinderten Kindern charakteristische Besonderheiten bei der Bewältigung intellektueller bzw. sozialer Probleme zu beobachten.
Defizite im Bereich der Strategiebefolgung
Lernbehinderte Kinder und Jugendliche zeichnen sich weniger durch dauerhafte Fähigkeitsdefizite(z.B. Mängel im Bereich der Aufmerksamkeit, des Gedächtnisses, der Schlußfolgerung etc.) aus, als vielmehr durch die Art ihres strategischen Handelns.
Für ihre Handlungen ist charakteristisch, daß sie im Vergleich zu unauffälligen Gleichaltrigen adäquate Strategien nicht spontan aktivieren(können). Während die unauffälligen Kinder im Verlauf ih
Unterstützung von Förderungsmaßnahmen durch Mediatoren
rer Entwicklung(zunehmend verkürzte) Lösungsstrategien erwerben, die sie zu effektivem Lernen befähigen, verfügen lernbehinderte Kinder über solche Fertigkeiten nicht, oder sie können sie nicht angemessen aktualisieren. Lernbehinderte begegnen daher neuen intellektuellen Anforderungen vergleichsweise weniger strukturierend und weniger aktiv.
So beherrschen sie beispielsweise in geringerem Maße
— Strategien der Informationsentnahme und-verarbeitung(z.B. bei der Speicherung von Wissen, der Bildung von Bedeutungsassoziationen, beim Rückgriff auf Vorerfahrungen);
— Strategien zur Handlungsorganisation (z.B. im Hinblick auf Zeitplanung, Einteilung ihrer Handlungsschritte im Zeitverlauf, Vorausplanen von Tätigkeiten, Antizipation problematischer Handlungsschritte);
— verbale Handlungsanleitung sowie
— Strategien der Handlungskontrolle (z.B. begleitende Prüfprozesse, Selbstregulation hinsichtlich emotionaler/ motivationaler Beeinflussungen).
Dieses strategische Verhalten— und hierbei insbesondere die Organisation und Steuerung komplexer Abläufe— kann unter dem Begriff metakognitive Kompetenz zusammengefaßt werden. Damit sollen sowohl die Bewußtheit der eigenen kognitiven Prozesse als auch handlungskontrollierende Momente-gekennzeichnet werden.
Bereits qualitative Analysen von Problemlösungsverläufen_lernbehinderter Kinder belegen einen deutlichen Mangel an solcher interner(metakognitiver) Vermittlung. Der Lösungsverlauf wird insgesamt nur mit einem geringen Ausmaß metakognitiv begleitet, Kontrollaktivitäten sind auf wenige Teilaspekte der Gesamthandlung eingeschränkt bzw. fehlen ganz(vgl. Schröder 1983).
Eigene Analysen dieser Art— an exemplarischen Einzelfällen erfaßt— zeigen beispielsweise, daß bereits drei handlungsregulierende Restriktionen einer Aufgabe(„Turm von Hanoi‘‘) entweder
Dieser Abschnitt korrespondiert mit Teilen einer Publikation von Lauth(1987).
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988
nur kurzfristig oder lediglich punktuell beachtet werden. Auch sind Vorgehensweisen zu beobachten, wonach ein völliges Fehlen solcher metakognitiver Kontrollen bzw. Regulationen erkennbar wird. In vergleichsweise günstigen Fällen schränken lernbehinderte Problemlöser die im Handlungsverlauf zu beachtenden Teilaspekte ein und gelangen so zu einem Ergebnis. Diese Einschränkung der Anforderungen— soweit sie überhaupt bewußt vollzogen wird— schafft in jenem Fall erleichternde Bedingungen für die Bewältigung der Aufgabe. Beobachtungen dieser Art liefern auch gleichzeitig einen Hinweis dafür, wie Interventionsbedingungen in diesem Bereich variiert werden können. Eine globale Zuschreibung dieser Beobachtungen auf mangelnde Gedächtnisleistungen sollte vermieden werden. Vielmehr wäre es für weitere Arbeitsschritte wichtig, zu erfahren, ob beispielsweise die genannten Instruktionsanteile zum„Turm von Hanoi‘* gedächtnismäßig insoweit durchaus repräsentiert sind, als sie auf Befragen wiedergegeben werden können, es den Lernbehinderten jedoch nicht gelingt, diese handlungsregulierenden Vorgaben im Verlauf der Problembearbeitung zielführend einzusetzen.
Die daraus resultierenden Handlungsschritte sind so zu umschreiben, daß Lernbehinderte längere Sequenzen der Gesamthandlung nur in einem geringen Maß überblicken. Sie geben sich daher auch weniger Rechenschaft darüber, ob ihr Handeln noch mit vorgegebenen Regeln übereinstimmt, ein bestimmtes Ziel zu erreichen bzw. wie weit sie sich davon bereits entfernt haben. Dieser Mangel an Kontrolle ist auch von Einschränkungen im Hinblick auf eine vorausschauende Orientierung gekennzeichnet: bei aufkommenden Schwierigkeiten im Verlauf der Problembearbeitung steht die unmittelbare Problembeseitigung stärker im Vordergrund als die Abwägung zwischen Lösungsalternativen bei Prüfung unterschiedlicher(kurzfristiger und längerfristiger) Ziele. Insoweit bestehen hier auch fehlerhafte Tendenzen zur Verkürzung, wohingegen es ihnen aufgrund mangelnder Problemdifferenzierung nicht oder nur wenig gelingt, bei
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