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Heilpädagogische Forschung : Zeitschrift für Pädagogik und Psychologie bei Behinderungen
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Gerhard W. Lauth& Peter F. Schlottke- Unterstützung von Förderungsmaßnahmen durch Mediatoren

und Zielanalysen anregen etc.), so sind wesentliche Voraussetzungen dafür ge­schaffen, mit einem derart modifizierten Verarbeitungspotential auch in anderen Erfahrungsbereichen erfolgreich zu sein. Auf eine explizite Vermittlung von Handlungsstrategien sind vor allem jün­gere und weniger entwickelte Kinder an­gewiesen. Sie profitieren von Interven­tionen, bei denen sie sowohl konkrete Ausführungsfertigkeiten(metakognitive Fertigkeiten, prinzipielle Taktiken) als auch allgemeine Handlungsstrategien er­werben. Dagegen führt eine Trainingsge­staltung, die die Handlungsbewältigung lediglich induktiv über exemplarische Beispiele anbietet und die Kinder nicht zur Ausbildung allgemeiner Strategien anregt, nur zu geringen bzw. gar keinen Entwicklungsfortschritten(zusammen­fassend Lauth 1983a, 1987). Ganz im Sinne dieser Schlußfolgerung haben Ma­sendorf& Klauer(1986) kürzlich nach­gewiesen, daß intelligenzschwächere Kinder vor allem dadurch gefördert wer­den, daß ihnen sämtliche Teilkompo­nenten der Zielhandlung explizit vermit­telt werden. Leistungsfähigere Kinder profitieren dagegen mehr von einer In­terventionsgestaltung, die die wesentli­chen Komponenten der Zielhandlung le­diglich implizit vermittelt. Offensichtlich erschließen sich die intelligenteren Kin­der die weniger elaborierten Lerninhalte selbst, was intelligenzschwächere Kinder nicht tun. Offen bleibt dabei zunächst, ob und wie sie dazu angeleitet werden können.

Welche Interventionsziele und -schwerpunkte resultieren daraus?

Die bisherigen Überlegungen haben vor allem zwei Punkte verdeutlicht, die für die Förderung lernbehinderter Kinder wesentlich sind:

1. Die Retardierung ist nur durch einen Mehr-Ebenen-Ansatz zu erklären, wo­bei Mängel in der Verfügbarkeit prin­zipieller Taktiken, bereichsspezifi­schen Wissens, metakognitiver Fertig­keiten, von Handlungsstrategien und die emotional ungünstige Besetzung der Lernhandlung konstituierende Be­

standteile der Entwicklungsverzöge­rung sind.

2. Interventionen sollten diesem Mehr­Ebenen-Ansatz entsprechen und in einer integrierten Form sowohl allge­meine Strategien für eine Nutzung bei wechselnden Anforderungen ver­mitteln, als auch bereichsspezifisches Wissen und metakognitive Fertigkei­ten anbahnen.

Aus dieser Perspektive konzentrieren sich Förderungsziele auf Fertigkeiten, die folgende vier Komponenten bei integrierter Einübung enthalten soll­ten:

1. Eine grundlegende Problemlösestruk­tur. Sie kann in ihrer allgemeinsten Art durch drei Elemente gekennzeich­net werden:

a) Durch das Erkennen eines ungelö­sten Problemzustandes sowie die die­sen Zustand definierenden Bedingun­gen.

b) Durch den Versuch, Mittel bereit­zustellen, diesen als unbefriedigend erlebten Zustand zu verändern und c) durch die Anwendung dieser Mit­tel, die dem Ziel der Lösungsfindung bzw. dem Erreichen eines Sollzustan­des hilfreich sind.

Zur Abarbeitung eines derartigen Pro­zesses benötigt der Handelnde einerseits bereichsspezifisches Wissen und anderer­seits metakognitive Fertigkeiten folgen­der Art(Wellmann 1983):

2. Metakognitive Fertigkeiten: a) Das faktische(deklarative) Wissen über die anstehenden kognitiven Auf­gaben, förderliche Bearbeitungsfertig­keiten und Strategien sowie deren Wechselwirkung. b) Der reflexive Zugriff auf die eige­nen aktuellen Gedächtniszustände, -inhalte und-grenzen. c) Die flexible, zieladaptive Steuerung (Regulation) und Überwachung der eigenen kognitiven Tätigkeit. d) Die bewußten Empfindungen bzw. affektiven Zustände bezüglich der ei­genen kognitiven Aktivitäten.

Wesentlich für die prozeßhafte Kontrol­le und Steuerung einer Handlung sind

HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988

dabei vor allem die Punkte(c) und(d), die deshalb auch ein besonderer Bestand­teil der Intervention sein müssen.

3. Emotionale Besetzung: Angesichts der häufig anzutreffenden negativen emotionalen Besetzung in­tellektueller Anforderungen ist es wichtig, den internen Dialog der Kin­der umzustrukturieren und dabei auch affektive Bewältigungsaussagen sowie positive Attribuierung auszu­bilden. Dadurch werden überhaupt erst angemessene kognitive Bewälti­gungsfertigkeiten im Sinne einer kon­struktiven Auseinandersetzung mit Schwierigkeiten freigesetzt und zielge­richteten Handlungen erleichtert bzw. erst ermöglicht. 4. Bereichsspezifisches Wissen:

Dieses Wissen wirkt daran mit, Pro­blemräume zu konstituieren und Vor­gehensweisen für deren Lösung zu entwickeln. Deshalb ist es notwendig, zumindest das verfügbare Wissen der Kinder für anstehende Handlungen aufzurufen und für die anstehende Lösungsaktivität nutzbar zu machen. Mit einem derartigen Schritt der Ak­tivierung bereichsspezifischen Wis­sens verbindet sich(langfristig) ein verbesserter Zugriff auf das eigene Er­fahrungspotential sowie möglicher­weise eine verbesserte Hierarchisie­rung der bisherigen Erfahrungswirk­lichkeit in Form eines chunking-Pro­zesses oder verbesserter Begriffsbil­dung.

Dieser Zielkatalog ist möglicherweise sehr einsichtig, es stellt sich jedoch die Frage, wie diese Einzelmomente zu ver­wirklichen sind. Ein idealtypisches(ab­straktes und deshalb inhaltlich leicht zu füllendes) Prozeßmodell veranschaulicht die Integration dieser vier verschiedenen Komponenten(Abb. 1).

Dieses Prozeßmodell kann prinzipiell auf jeden Anforderungsbereich übertra­gen werden, weil darin eine situations­übergreifende, verallgemeinerte Hand­lungsorganisation wiedergegeben ist, die jedoch jeweils auf bereichsspezifische Wissensbestände zurückgreift, regulatori­sche Elemente beachtet und die affekti­ve Bewältigung miteinbezieht.

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