Nivardo Ischi& Meinrad Perrez+ Verhaltenstherapeutische Intervention in der Schulklasse durch Mediatoren
Kompetenzvermittlung im Mediatorensystem
Verhaltenstherapeutische Ausbildung
Supervision
Reorganisation des Verstärkersystems= Therapie
Abb. 1: Kompetenzvermittlung im Mediatorensystem.
ten dergestalt zu verändern, daß das Problemverhalten des Kindes unwahrscheinlicher und das erwünschte Verhalten wahrscheinlicher wird. Das heißt, die mikrosoziale Umwelt sollte durch die Neuorganisation der sozialen Kontingenzen reorganisiert werden. Die Psychologen ihrerseits waren durch die Projektgruppe unterstützt(vgl. Perrez et al. 1985).
Von einem bisher im traditionellen Sinn geführten Schulpsychologischen Dienst eines schweizerischen Kantons haben 9 Psychologen freiwillig an einer verhaltenstherapeutischen Ausbildung teilgenommen.
Auf der Lehrer- und Elternseite wurden in zwei Regionen dieses Kantons alle Erstund Drittklasslehrer(= 140) zum Mediatorenkurs eingeladen, an dem schließlich 40 Lehrer teilgenommen haben. Nach der Bestimmung der Problemkinder wurden 45 Eltern(das sind die Eltern jener Problemkinder, die deutschsprachig waren) zu einem Elternkurs eingeladen. Davon haben sich 18 zur Kursteilnahme entschlossen. Die Psychologen wurden 9 Monate, die Lehrer und Eltern 12 Wochen lang geschult. An der Ausbildung der Mediatoren haben sich die Schulpsychologen wesentlich mitbeteiligt. Nach sechs Wochen(wöchentlich ein Abend) primär theoretischer Einführung wurde allmählich fallbezogene therapeutische Arbeit eingeblendet.
Fragestellung und Operationalisierung der Symptomverschiebungsannahme
Westmeyer(1978) unterscheidet grob
drei Klassen von Treatmentfolgen:
a) die Treatmentziele ohne Nebenwirkungen,
b) die Treatmentziele mit zusätzlichen Nebenwirkungen,
c) erwünschte und/oder unerwünschte Nebenwirkungen ohne Erreichung der Treatmentziele.
Als vierte mögliche Treatmentfolge ist zu
ergänzen:
d) weder die Treatmentziele noch irgendwelche Nebenwirkungen treffen ein.
Die verhaltenstherapeutischen Interven
tionsmethoden werden, besonders aus der
Perspektive der Psychoanalyse, gerne als
symptomorientiert charakterisiert. Aus
dieser Kennzeichnung und aus komplexen theoretischen Voraussetzungen wird aus psychoanalytischer Sicht die
Prognose der Symptomverschiebung her
geleitet.
Trotz der heftigen, durch die Psychoana
lyse angefachten theoretischen Kontro
verse um die Symptomverschiebung, existieren darüber nur wenig kontrollierte Studien. Wir haben an anderer
Stelle die Symptomsubstitution als eine
spezielle Hypothese des psychothera
peutischen Mißerfolges dargestellt und
Symptomverschiebung als einen Spezial
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988
fall des Mißerfolges abgegrenzt von der Therapieresistenz, dem Rückfall und dem Neuauftreten eines neuen Symptoms (Perrez 1978). Hier wollen wir immer dann von Symptomverschiebung sprechen, wenn am Ende der therapeutischen Intervention das unerwünschte Verhalten geschwächt bzw. das Zielverhalten gestärkt werden konnte und wir gleichzeitig die Stärkung eines anderen unerwünschten Verhaltens bzw. die Schwächung eines anderen erwünschten Verhaltens feststellen müssen.
Im folgenden sollen die Daten von 9 Einzelfallstudien reanalysiert werden unter dem Aspekt der Symptomverschiebung. Lassen sich bei den neun verhaltenstherapeutisch behandelten Kindern Symptomverschiebungen feststellen?
Operationalisierung der Symptomverschiebung
Die Abbildung 2 zeigt unter welchen Bedingungen das Vorliegen einer Symptomverschiebung angenommen werden kann. Zu diesem Zweck wird die Auftretenswahrscheinlichkeit der behandelten, unerwünschten Verhaltensweisen mit der Auftretenswahrscheinlichkeit der übrigen unbehandelten(u.U. auch unerwünschten) Schülerverhaltensweisen verglichen. Die unbehandelten Verhaltensweisen wurden nach Abschluß der Intervention ausgewählt(d.h. verdecktes Verfahren); diese gelten für den speziellen schwierigen Schüler nicht unbedingt als unerwünscht, z.B. wenn das Verhalten sehr selten auftritt und/oder vom Lehrer toleriert wird. Ein Teil davon wurde nur in zweiter Priorität als behandlungsbedürftig bewertet. Eine Zunahme der Auftretenshäufigkeit beider Kategoriengruppen wird jedoch in keinem Fall angestrebt oder als erwünscht bewertet. Von einer Symptomverschiebung sprechen wir, wenn mit einer erfolgreichen Intervention(Felder A) negative Effekte auf der Ebene der zuvor genannten unbehandelten Verhaltensweisen(Felder B) einhergehen, d.h. wenn deren Häufigkeit im Sinne der vorher beschriebenen Kriterien höher geworden ist.
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