Nivardo Ischi& Meinrad Perrez+ Verhaltenstherapeutische Intervention in der Schulklasse durch Mediatoren
tivitätseffekte möglichst klein zu halten, wurde das zu diesem Zweck entwickelte automatische Video-Aufzeichnungsverfahren(Ischi 1978) der direkten Beobachtung vorgezogen. Durch die Montage einer kompletten Videoanlage im Schulzimmer, bei der die Geräte über ein Zeitschaltersystem automatisch ein- und ausgeschaltet wurden, erfolgte die Erhebung der Rohdaten(1.) in Abwesenheit jeglicher Beobachter oder Techniker, (2.) im Einverständnis mit den Betroffenen verdeckt(= Zeitpunkt und Verhalten nicht bekannt) und(3.) mit einer möglichst geringen Veränderung der natürlichen Umgebung der Zielpersonen (vgl. Ischi& Perrez 1986).
Das Beobachtungssystem zur Analyse sozialer Kontingenzen in der Schulklasse: Das entwickelte Beobachtungssystem (vgl. Ischi 1982) ermöglicht die sequentielle Analyse der Verhaltensströme mehrerer Personen. Damit kann sowohl die situationsspezifische Auftretenswahrscheinlichkeit bestimmter Schülerverhaltensweisen, als auch die bedingte Auftretenswahrscheinlichkeit der Lehrerund Mitschülerkonsequenzen auf die Kindkategorien erfaßt werden. Beim Beobachtungsvorgang wurden ausgewählte Kategorien auf den Verhaltensstrom angewendet, die(a) schulische Situationen,(b) unerwünschte und erwünschte Schülerverhaltensweisen,(c) Lehrerverhaltensweisen(Antezedentien und Konsequenzen) und(d) Mitschülerkonsequenzen beschreiben. Ein 5-Sekunden Zeitraster diente zur genauen zeitlichen Lokalisierung der Ereignisse, um die Kontingenzverhältnisse berechnen zu können. Die Erwünschtheit des Schülerverhaltens wurde situationsspezifisch erfaßt und die Valenz der sozialen Konsequenzen wurde a priori definiert, indem z.B. ein Lob der Lehrerin immer als eine positive Konsequenz bewertet wurde.
Die Objektivitätskontrollen: Die verdeckte Platz-pro-Platz-signierte Übereinstimmung variiert zwischen 80,5% und 97,7%. Im Durchschnitt über alle Kategorien und alle Beobachter liegt die Übereinstimmung bei 90%(über insgesamt 912 5-Sekunden-Sequenzen).
Die visuelle Analyse der Daten: Zur Eva
TAG
Abb. 3: Relative Häufigkeit des unerwünschten Schülerverhaltens„Zielkind sitzt nicht am Platz, wenn gefordert‘ über die drei Beobachtungsbedingungen. Zielkind Nr. 01(Anzahl analysierte S-Sekunden-Frequenzen: Prae I= 2607; Prae II= 2910; Post= 2604).
luation der Interventionseffekte von Einzelfallstudien mit sehr kurzen Sequenzen(4 bis 5 Aufzeichnungstage pro Beobachtungsbedingung) steht die visuelle Analyse der graphischen Darstellung der Daten zur Verfügung(vgl. Jones et al. 1977, Kratochwill 1978).
Unter Berücksichtigung der Stabilität der Grundkurve, der Streuung der Werte innerhalb einer bestimmten Beobachtungsbedingung und zwischen zweier Beobachtungsbedingungen(z.B. prae-post) und weiteren Kriterien, wird mit der visuellen Analyse ausgesagt, ob der Mittelwert, z.B. der Postmessung, sich in einem bedeutsamen Ausmaß vom Mittelwert der Praemessung unterscheidet. D.h., es wird z.B. ausgesagt, ob das unerwünschte Schülerverhalten zugenommen bzw. abgenommen hat oder auf einem ähnlichen Ausmaß geblieben ist. Zur Bewertung der Niveauveränderungen der gewichteten Mittelwerte ist folgende bipolare Skala verwendet worden:
Eindeutige Abnahme des Mittelwertes
Keine Eindeutige Zueindeutige nahme des Veränderung Mittelwertes
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988
Die Stufen wurden wie folgt definiert:
® Eindeutige Abnahme des Mittelwertes:
Diese Bedingung liegt vor, wenn
a) der gewichtete Mittelwert des Datensatzes der zeitlich nachfolgenden Untersuchungsbedingung tiefer liegt als der gewichtete Mittelwert der Ausgangsbedingung und
b) alle Tageswerte der zeitlich nachfolgenden Phase tiefer als der gewichtete Mittelwert der Ausgangsphase liegen.
Der gewichtete Mittelwert wird berech
net, da pro Tag unterschiedlich große
Datensätze vorliegen.
® Eindeutige Zunahme des Mittelwertes:
Diese Bedingung liegt vor, wenn
a) der gewichtete Mittelwert des Datensatzes der zeitlich nachfolgenden Untersuchungsbedingung höher liegt als der gewichtete Mittelwert der Ausgangsbedingung und
b) alle Tageswerte der zeitlich nachfolgenden Phase höher als der gewichtete Mittelwert der Ausgangsphase liegen.
® Keine eindeutige Veränderung:
Diese Bedingung liegt vor, wenn beim Vergleich des Datensatzes der zeitlich nachfolgenden Untersuchungsbedingung zum Datensatz der Ausgangsbedingung
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