Nivardo Ischi& Meinrad Perrez- Verhaltenstherapeutische Intervention in der Schulklasse durch Mediatoren
weder eine Zunahme noch eine Abnahme des durchschnittlichen Niveaus festzustellen ist. Das folgende Beispiel illustriert die Anwendung dieser Skala: Unter Anwendung der obgengenannten Kriterien geht hervor, daß der gewichtete Mittelwert der Phase Prae II(p= 0.33) nicht bedeutsam höher liegt als der Mittelwert vom Prae I(p= 0.206), da der fünfte Tageswert von Prae II(p= 0.195) tiefer liegt als der Mittelwert von Prae I. Der Mittelwert der Postphase(p= 0.108) ist hingegen eindeutig tiefer als der Mittelwert der Prae II-Phase. Durch die gewählten Kriterien wird die Bedeutsamkeit der Niveauverschiebung des gewichteten Mittelwertes aufgrund der Streuung der Daten, deren Überlappungen zwischen Bedingungen und der Höhe jedes einzelnen Tageswertes im Vergleich zum Mittelwert der vorausgehenden Phase bewertet. Die Festlegung dieser Kriterien erfolgte in Anbetracht der Merkmale der erhobenen Daten. Unter Laborbedingungen ist es eher möglich als unter Feldbedingungen, massive und zugleich stabile Verhaltensänderungen zu erzielen, so daß es zwischen den Datensätzen unterschiedlicher Bedingungen keine Überlappungen der Daten gibt. In unseren Daten sind solche Überlappungen häufig; aus diesem Grund beziehen wir uns auf den Mittelwert und nicht— wie im Labor üblich— auf die Extremwerte der Streubreite(siehe Ischi 1985).
Ergebnisse
Zur Erleichterung des Verständnisses der Daten wird die Frage der Symptomverschiebung zuerst anhand der Daten einer einzigen Fallstudie(Zielkind Nr. 01) und anschließend aufgrund der Ergebnisse alle 9 Problemschüler, die im Rahmen der Interventionsstudie beobachtet worden sind, beantwortet. Die nachfolgende Tabelle 1 zeigt, welche (unerwünschte) Verhaltensweisen des Zielkindes Nr. 01 nach der Kontrollperiode(Prae I—Prae II) bzw. nach der Interventionsperiode(Prae II—Post) häufiger(+), seltener(-) bzw. gleich häufig (=) auftreten.
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Tab. 1: Variationen des(unerwünschten) Verhaltens des Zielkindes Nr. 01. Die zweite Spalte ist aufgrund des Binomialtests signifikant(p= 0,01), die erste Spalte nicht.
ZK 01/ VARIABLE BEHANDELT/UNBEHANDELT
01/VAR 01-BEH
01/VAR 02-BEH
01/VAR 03-BEH
01/VAR 04-BEH
01/VAR 05-BEH
01/VAR 06-UNBEH 01/VAR 07-UNBEH 01/VAR 08-UNBEH 01/VAR 10-UNBEH 01/VAR 11-UNBEH 01/VAR 12-UNBEH 01/VAR 13-UNBEH 01/VAR 14-UNBEH 01/VAR 15-UNBEH 01/VAR 16-UNBEH 01/VAR 17-UNBEH 01/VAR 18-UNBEH 01/VAR 19-UNBEH 01/VAR 21-UNBEH
Insgesamt war die Intervention für das Zielkind Nr. 01 sehr erfolgreich, da die Auftretenswahrscheinlichkeit aller fünf unerwünschten Verhaltensweisen nach der Intervention bedeutsam tiefer liegt als vorher. Während der Kontrollperiode war zudem keine Abnahme zu verzeichnen. Bei neun der elf unbehandelten Kategorien ist nach der Intervention auch eine Abnahme vorhanden. Bei zwei Kategorien liegt keine Veränderung vor. Während der Kontrollperiode ist hingegen lediglich bei vier von 16 Verhaltenskategorien eine Abnahme spontan eingetreten, bei fünf Kategorien eine Zunahme. Diese Einzelfallstudie läßt den Schluß zu, daß nicht nur die behandelten Zielverhaltensweisen erfolgreich verändert werden konnten, sondern daß auch ein sehr breiter Übertragungseffekt auf das übrige Verhaltensrepertoire festzustellen ist. Der Vergleich mit den absoluten Werten der übrigen Schüler sowie mit dem Lehrerurteil unterstützen diese Schlußfolgerung.
Wie verhält es sich mit der Symptomverschiebung?
Im Falle des Zielkindes Nr. 01(vgl. Tabelle 1) sind folgende Post-Bedingungen beobachtet worden:
VARIATION DES(UNERWUENSCHTEN) KINDVERHALTENS Prae I- Prae II
Prae II- Post
"FAT NUM A N N NN NR
zuwenig Analyse-Einheiten
zuwenig Analyse-Einheiten zuwenig Analyse-Einheiten +
— Es sind keine negativen sekundären Effekte auf die unbehandelten Verhaltenskategorien festzustellen(vgl. Abb. 2: Felder B und C);
— bei 9 der 11 beobachteten Kontrollverhaltensweisen liegt eine Abnahme der Auftretenshäufigkeit vor;
— 2 von 11 Kategorien bleiben während der Prae II—Post-Phase unverändert, und
— 3 Verhaltenskategorien treten bei diesem Problemschüler sehr selten auf (Variablen 14, 16 und 17).
Bei dieser Einzelfallstudie liegen somit
keine Hinweise auf eine allfällige Sym
ptomverschiebung vor. Die 14 nicht behandelten, zufällig ausgewählten Kontrollverhaltensweisen decken natürlich nicht das gesamte Verhaltensspektrum des Schülers ab, aber wir haben gute
Gründe für eine repräsentative Verhal
tensstichprobe, nämlich die verdeckte
Zufallsauswahl, die positiven Ergebnisse
der Lehrerbefragung nach der Interven
tion und der Vergleich der absoluten
Auftretenshäufigkeiten dieser Verhal
tenskategorien mit den übrigen Schülern
(vgl. Ischi 1985, S. 316 ff.).
HEILPÄDAGOGISCHE FORSCHUNG Band XIV, Heft 3, 1988