Nivardo Ischi& Meinrad Perrez- Verhaltenstherapeutische Intervention in der Schulklasse durch Mediatoren
gesamten Stichprobe den Ergebnissen der fünf Einzelfälle entsprechen.
Zusammenfassend können wir festhalten, daß erstens das Ausmaß negativer Nebeneffekte nach der therapeutischen Intervention nicht größer ist als die natürliche Zunahme unerwünschter Verhaltensweisen während der Kontrollperiode. Zweitens liegen keine Hinweise vor, die belegen, daß die beobachteten negativen Effekte der Interventionsmaßnahme zuzuschreiben sind, dergestalt, daß diese als Symptomverschiebung interpretiert werden könnten. Bei sechs dieser neun Problemschüler haben wir die Videobeobachtungen auch zu Hause
in der Familie durchgeführt(vgl. Lotti 1984). Die Ergebnisse des Elternverhaltenstrainings sowie die Beobachtungen zu Hause zeigen keine Hinweise auf eine allfällige Verschiebung der unerwünschten Verhaltensweisen von der Schulklasse in den Verhaltensrahmen der Familie. Aufgrund der Arbeiten des gesamten Forschungsprojektes, das die Kontrolle 31 weiterer Interventionen via Mediatoren umfaßt, ist es gelungen, die Praktikabilität und Wirksamkeit psychologischer Interventionen über Lehrer und Eltern im Rahmen eines bestehenden schulpsychologischen Dienstes nachzuweisen(vgl. auch Perrez 1982 und Per
rez et al. 1985). Die vorliegende Beobachtungsstudie erlaubt den Schluß, daß die psychologische Intervention mit Mediatoren wirksamer ist als die gewohnten Integrationsversuche, die der Lehrer in seinem Unterricht unternimmt und daß keine Verschiebung der Symptome zu erwarten ist. Diese Ergebnisse sprechen dafür, den Mediatorenansatz vermehrt in die Aus- und Fortbildung und in die tägliche Arbeitsweise der Schulpsychologen, der Erziehungsberater, der Heilpädagogen, der Heimerzieher, der Lehrer und Eltern einzubauen.
Literatur
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Anschrift der Verfasser: Dr. Nivardo Ischi
Prof. Dr. Meinrad Perrez Psychologisches Institut Universität Fribourg
Route des Fougeres CH-1700 Fribourg/Schweiz
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